Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
blickten, blinzelten plötzlich. Sie sah sich selbst – aber nicht wirklich – nicht so, wie die anderen sie sahen – nicht so, wie Cora sie an dem Tag gesehen hatte. Ihre rechte – nein, ihre linke Augenbraue wölbte sich etwas mehr als die rechte. Der Mund? Nein, der Schwung ihrer Lippen war symmetrisch. Wenn sie sich selbst begegnete, würde sie wohl kaum einen Unterschied zu diesem Spiegelbild erkennen. Nicht wie bei Cora.
    Cora – das Bild stand ihr deutlich vor Augen… Cora am Tag der Beerdigung, der Kopf zur Seite geneigt – stellte ihre Frage – schaute zu Helen…
    Unvermittelt schlug Helen die Hände vors Gesicht. »Das ist a b surd… das ist völlig absurd…«
     
     

IV
     
    Miss Entwhistle träumte einen wunderschönen Traum, in dem sie mit Königin Mary Pikett spielte. Da riss das Telefon sie aus dem Schlaf. Sie versuchte das Läuten zu ignorieren – aber es klingelte immer weiter. Verschlafen hob sie den Kopf und schaute auf ihre Armbanduhr, die neben ihr am Bett lag. Fünf vor sieben – wer um Himmels willen sollte zu dieser nachtschlafenden Zeit anrufen? Der musste sich verwählt haben. – Das enervierende Klingeln ging immer weiter. Seufzend schlüpfte Miss Entwhistle in ihren Morgenmantel und ging ins Wohnzimmer.
    »Kensington 675498«, sagte sie barsch, nachdem sie den Hörer abgehoben hatte.
    »Mrs Abernethie am Apparat, Mrs Leo Abernethie. Kann ich bitte Mr Entwhistle sprechen?«
    »Oh, guten Morgen.« Das »guten Morgen« klang nicht eben freundlich. »Hier spricht Miss Entwhistle. Ich fürchte, mein Bruder schläft noch. Ich habe selbst noch geschlafen.«
    »Es tut mir sehr Leid.« Helen sah sich genötigt, eine Entschuldigung abzugeben. »Aber es ist sehr wichtig. Ich muss sofort mit Ihrem Bruder reden.«
    »Kann es nicht warten?«
    »Leider nicht.«
    »Nun gut.«
    Miss Entwhistles Ton war unterkühlt.
    Sie klopfte an die Schlafzimmertür ihres Bruders und trat ein.
    »Das sind wieder diese Abernethies!«, murrte sie.
    »Was? Die Abernethies?«
    »Mrs Leo Abernethie. Vor sieben Uhr morgens ruft sie an! Also wirklich!«
    »Mrs Leo? Du meine Güte. Welche Überraschung. Wo ist mein Schlafrock? Ach, danke.«
    Wenig später nahm er den Hörer in die Hand. »Entwhistle am Apparat. Helen, sind Sie das?«, sagte er.
    »Ja. Es tut mir sehr Leid, Sie aus dem Schlaf zu reißen. Aber Sie sagten, ich solle Sie sofort anrufen, wenn mir wieder einfiele, was mir damals am Tag der Beerdigung merkwürdig vorkam, als Cora uns alle mit ihrer Bemerkung schockierte.«
    »Ah! Und es ist Ihnen wieder eingefallen?«
    »Ja«, sagte Helen. Ihre Stimme klang verwundert. »Aber es ist absurd.«
    »Darüber zu befinden, müssen Sie schon mir überlassen. Ist es etwas, das Ihnen an einer bestimmten Person aufgefallen ist?«
    »Ja.«
    »Erzählen Sie.«
    »Es ist wirklich absurd.« Helen klang, als wollte sie sich jeden Moment entschuldigen. »Aber ich bin mir absolut sicher. Es ist mir eingefallen, als ich mich gestern Abend im Spiegel anschaute. Oh…«
    Auf den leisen, erschreckten Aufschrei folgte ein Geräusch, das lange durch die Leitung hallte – ein dumpfer, schwerer Schlag, den Mr Entwhistle überhaupt nicht deuten konnte.
    »Hallo?« Seine Stimme war besorgt. »Hallo – sind Sie noch dran? Helen, sind Sie da?… Helen…«

Einundzwanzigstes Kapitel

I
     
    E rst eine knappe Stunde später, nach zahlreichen Gesprächen mit der Störungsstelle, hatte Mr Entwhistle schließlich Hercule Poirot am anderen Ende der Leitung.
    »Gott sei Dank!«, sagte Mr Entwhistle mit verständlichem Ingrimm. »Das Fernamt hatte die größten Schwierigkeiten, eine Verbindung herzustellen.«
    »Das ist nicht überraschend. Der Hörer war nicht aufgehängt.«
    In Poirots Stimme schwang ein düsterer Unterton mit, der den Notar aufhorchen ließ.
    »Ist etwas passiert?«, fragte er erschrocken.
    »Ja. Vor etwa zwanzig Minuten wurde Mrs Leo Abernethie vom Hausmädchen hier beim Telefon im Herrenzimmer am Boden liegend gefunden. Sie war bewusstlos. Eine schwere Gehirnerschütterung.«
    »Sie meinen, es war ein Schlag auf den Kopf?«
    »Ich glaube schon. Es wäre vielleicht denkbar, dass sie stürzte und sich den Kopf am marmornen Türhemmer anstieß, aber ich, ich glaube das nicht, und der Arzt, der glaubt es auch nicht.«
    »Sie hatte gerade mit mir telefoniert. Ich habe mich gewundert, warum das Gespräch so plötzlich abbrach.«
    »Mit Ihnen hat sie also gesprochen? Und was hat sie gesagt?«
    »Sie hat mir vor einiger

Weitere Kostenlose Bücher