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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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gut genug. So ist das! Aber er braucht sich nicht einzubilden, daß ich ihn um sein Geld beneide. Ich will nur mein Recht!«
    Peter war zuletzt richtig laut geworden, und Agnes spürte, wie verletzt er war. Sie strich ihm zärtlich über die Wange. »Hast ja mich.«
    Doch der Verärgerte wich zurück und grollte weiter: »Dabei schwör’ ich jeden Eid, daß Vater dieses falsche Pack niemals geliebt hat!«
    »Eben drum«, warf Agnes ein.
    »Wie meinst du das?« fragte Peter stutzig.
    »Vielleicht ist es gerade das, was sie dir neiden«, erklärte die lebenskluge Witwe. »Du bist im Besitz von etwas, was sie nie mehr erlangen werden: Die Liebe deines Vaters. Das ist mehr wert als alles Geld und aller Kaufmannsplunder.«
    Peter wäre am liebsten jetzt gleich in die Kaufingergasse gestürmt, um dort ordentlich Bescheid zu geben, hielt es aber für besser, den werten Herrn Bruder ein wenig schmoren zu lassen. Zumindest tat es seinem eigenen Stolz und Empfinden gut. Doch es beschäftigte ihn auch, was der andere wohl von ihm wollte. Ob es mit den Ereignissen der letzten Tage zu tun hatte?
    Die Arbeit an der Lände lenkte zwar ab, gleichwohl blieb Peter merklich zerstreut, so daß Paul schließlich nach dem Grund fragte. Und als er diesen kannte, bot er dem Freund an, ihn zu begleiten.
    Doch Peter lehnte dankend ab: »Diesen Gang muß ich alleine tun.«
    Kurz vor der Vesper machte er sich auf den Weg. Dabei überlegte er fieberhaft, was er eigentlich an den Mann bringen wollte und versuchte, sich eine möglichst kämpferische Rede zurechtzulegen. Als er nach einer Weile den schweren Türklopfer betätigte, waren alle Vorsätze, Angriffspläne und geschliffenen Redewendungen wie weggeblasen. Und ein beklemmendes Gefühl beschlich ihn – beinahe wie an dem Tag, als er zum ersten Mal dieses Haus betreten hatte.
    Die Tür ging auf, und in dem Spalt zeigte sich die dürre Gestalt eines Jünglings, vermutlich Knecht oder Lehrling im Haus.
    »Euer Begehr?« forschte er ziemlich hochmütig.
    »Ich will meinen Bruder sprechen«, beschied ihn Peter.
    Der wichtigtuerische Hausdiener sah ihn an, als habe der Fremde den Grind am ganzen Körper, ließ ihn aber immerhin eintreten.
    »Werdet Ihr erwartet? Ich meine, habt Ihr Euer Kommen angekündigt? Mein Herr ist ziemlich beschäftigt, und…«
    »Hör zu, Bürschchen!« unterbrach ihn Peter brüsk. »Du meldest mich jetzt augenblicklich an, oder…«
    Noch ehe die Drohung ausgesprochen war, trat eine stattliche Frau in den Flur und ging lächelnd auf den Gast zu.
    »Gott zum Gruß! Ihr müßt Peter sein. Ich freue mich, Euch endlich kennenzulernen.« Sie reichte ihm die Hand, während sich der Knecht verdrückte.
    Ist die alte Welserin in den Jungbrunnen gefallen? schoß es Peter durch den Kopf. Er schaute die ihm fremde Frau so verdutzt an, daß sie rasch erklärte: »Ich bin Barbara, Eures Bruders Frau. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt.«
    Peter nickte nur und stieg willenlos hinter ihr die Treppen zum Obergeschoß empor. Er erinnerte sich, daß ihm sein Vater vor Jahren beiläufig mitgeteilt hatte, daß sein Erstgeborener eine Tochter aus der angesehenen Familie Stupf geehelicht hatte. Sie hatte somit nicht nur einen guten Namen, sondern ganz offenbar auch ein freundliches Wesen. Und sieht dazu noch recht hübsch aus, dachte Peter bei sich. Sie war von mittlerer Größe und von fester, aber ansehnlicher Gestalt. Ihr flachsblondes Haar war hochgesteckt und größtenteils unter einer weißen Haube verborgen. Das rundliche Gesicht strahlte anmutige Frische aus und hatte etwas Pfiffiges.
    Peter verstand die Welt nicht mehr. Was hatte diese Frau in diesem Haushalt wohl zu erdulden? Sein Bruder mußte sie entweder geraubt oder auf dem Sklavenmarkt in Venedig ersteigert haben. Ihre Stimme riß ihn aus seinen freundlichen Betrachtungen.
    »Darf ich Euch etwas anbieten? Einen Becher Wein vielleicht? Und später müßt Ihr mit uns speisen.«
    »Einen Becher Wein nehm’ ich gerne«, preßte Peter heraus. Und vergessen war, daß er seinem Bruder doch ganz anders begegnen wollte. Er sah sich in der geräumigen Stube um. Bis hierher war er damals gar nicht gekommen. Der Raum war nicht so reich ausgestattet, wie beim alten Pütrich, ließ aber dennoch einen gewissen Wohlstand erahnen.
    Barbara Barth brachte den Wein und reichte ihn artig mit einem Segenswunsch. Es konnte sich jedoch kein Gespräch mehr entspinnen, denn gleich darauf betrat der Hausherr den Raum und gab seiner Frau mit einem

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