Der Wachsmann
Kopfnicken zu verstehen, sie möge verschwinden.
Ganz der Tyrann, wie ich mir dachte, eröffnete Peter schweigend die Feindschaft; er wird immer feister, und bald hat er gar keinen Hals mehr.
Michael Barth war etwas kleiner als Peter, zudem massig und schwer. Seine Leibesfülle war in einen langen Rock aus edlem Stoff gehüllt, über dem er einen ärmellosen Mantel aus feiner Wolle trug. Wenn Peter nicht genau gewußt hätte, daß ihn neun Jahre von seinem Bruder trennten, hätte er dessen Alter schwerlich angeben können. Das Mondgesicht, das direkt auf dem Leib zu sitzen schien, war bleich und teigig. Nur die tiefliegenden, kleinen Äuglein blitzten listig und ließen auf einen regen Verstand schließen. Das Haar verschwand weitgehend unter einer dunklen Kappe. Auf der Stirn glänzten Schweißtröpfchen, die von der Anstrengung des Beleibten oder der Sorge um die bevorstehende Auseinandersetzung herrührten.
Der Kaufmann ließ seinen schweren Körper auf einen Stuhl sinken und ohne auch seinem Gast einen Platz anzubieten, bemerkte er spitz: »Er hat sich ja doch noch herbequemt. Welch Güte des noblen Pflegers Barth.«
Peter ließ sich langsam auf der Bank neben der Türe nieder und verkniff sich zunächst eine scharfe Erwiderung.
»Ich habe dich rufen lassen«, fuhr der Dicke fort, »weil mir dein Betragen ganz und gar mißfällt und ich solches nicht länger dulden werde.«
»Ah«, versetzte Peter hämisch, »da bin ich aber gespannt.«
»Daß du dich mit Ratten und Geschmeiß abgibst, mit gemeinen Leuten zechst und mit einer mannstollen Wirtin das Bett teilst, davon will ich gar nicht reden.« Michael Barth machte mit der Linken eine wegwerfende Bewegung. »Was will man bei deiner Herkunft auch anderes erwarten. Doch…«
»Es macht mir nichts aus, daß du meine Freunde beschimpfst«, unterbrach ihn Peter kampflustig. »Aber wenn du meine Herkunft in Zweifel ziehst, dann beleidigst du meinen Vater, und ich dulde nicht…«
»Der bedauerliche Fehltritt eines alten Mannes mit einer dahergelaufenen Magd, die ihm den Kopf verdreht hat«, entgegnete Michael kalt.
Peter sprang erregt auf und erhob drohend die Faust.
Der Bruder blieb merkwürdigerweise ganz ruhig sitzen, streckte ihm nur abwehrend die feiste Hand entgegen und bemerkte boshaft: »Ist prügeln und saufen alles, was du gelernt hast? Was glaubst du, was geschieht, wenn du dich an mir vergreifst?«
Peter ließ sich schwer atmend wieder auf die Bank fallen und gab nur zurück: »Ich würde mir die Hand schmutzig machen. Aber den Gefallen tu’ ich dir nicht.«
Er mußte sich mäßigen, durfte sich von diesem Kerl nicht reizen lassen. Wenn er den Kopf verlor, war der andere im Vorteil und wußte dies wie ein echter Krämer zu nutzen.
»Wo wärst du denn«, fuhr der Kaufmann ungerührt fort, »wenn ich mich vor Jahren nicht deiner angenommen hätte. Du würdest Schweine hüten auf dem Land oder auf Kirchentreppen dem Bettel nachgehen, bis man dich verjagte. Alles was du hast und bist, hast du doch nur mir zu verdanken. Oh…« – Michael winkte ab –, »ich erwarte mir beileibe keinen Dank. Aber Respekt, den verlange ich!« Er hatte zuletzt die Stimme erhoben und die Worte sehr scharf gesprochen.
Peter schien diesmal unbeeindruckt. »Dankbarkeit…«, wiederholte er geringschätzig, »wofür? Das Almosen, das du mir gnädig zukommen läßt, wird nicht ausreichen, um vor dem höchsten Richter vergessen zu machen, daß du mich schmählich um mein Erbe betrogen hast. Und mein Respekt gilt nur dem, den ich auch wirklich achten kann und sei es der gemeinste Bettler, der ehrlich sein Brot erwirbt. Dich hingegen ver achte ich und würde dein Reichtum auch noch so glänzen!«
»Große Worte«, höhnte der Kaufmann. »Der Stolz des Bettlers, den du dir kaum leisten kannst. Doch vergiß nicht: Nur durch mich hast du das Bürgerrecht in dieser Stadt erhalten. Ich war es, der für dich gezahlt und gebürgt hat, und ich war es, der dir die Stellung verschafft hat, derer du dich jetzt erfreust und die du so schändlich mißbrauchst!«
»Ein Pfund Pfennige«, lachte Peter bitter, »mit denen du dich freikaufen wolltest. Ist’s mehr oder ebensoviel wie die dreißig Silberlinge, deretwegen ein anderer Verrat übte? O ja! Ich hatte sie damals nicht, und ich habe sie auch heute nicht zur Verfügung. Aber sei versichert: Ich werde dir keinen einzigen Pfennig schuldig bleiben!«
»Mich kümmert nicht das Geld«, winkte Michael Barth ab. »Du vergißt, daß ich
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