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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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–, »Ihr haltet mich zum besten, nicht?«
    »Keineswegs. Seht Ihr, Worte sind nicht nur Worte und Zahlen nicht einfach nur Zahlen. Ihnen wohnt eine wundervolle Kraft inne. Und wer sie zu enträtseln vermag, erhält Macht über die Dinge dieser Welt. Und wer dazu noch den Lauf der Gestirne kennt, der kann gar der Menschen Geschick beeinflussen. Wollt Ihr mehr darüber hören?«
    Peter dachte einen Augenblick lang an den Weg, der noch vor ihm lag und fragte sich kurz, was Perchtold wohl so lange trieb. Andererseits erschien ihm dessen Ausbleiben günstig, denn das Gespräch war alles andere als für eines Knaben Ohren geeignet. Und ein kleiner Zweifel nagte selbst an Peters Gewissen, ob der Umgang mit Doktor Friedericus nicht auch seinem eigenen Seelenheil abträglich sei. Doch er hatte noch nie von solchen Ungeheuerlichkeiten gehört, und die unglaublichen Kenntnisse seines gelehrten Gegenüber schlugen ihn mächtig in Bann. Mit einer Mischung aus neugierigem Schauder und unterschwelliger Furcht vergaß Peter die Welt um sich herum und drängte den Erzähler fortzufahren. Und wie von selbst stand plötzlich ein neuer Krug Bier auf dem Tisch, und der Doktor hielt ein paar Würfel in der Hand.
    Perchtold hatte inzwischen den Pferden ausreichend zu saufen gegeben und ihnen den Hafersack umgehängt. Während er noch die gutmütigen Tiere tätschelte und ein wenig mit ihnen sprach, fiel sein Augenmerk auf ein Gespann, das längs des Stadels stand, der an die Taverne angrenzte. Die beiden Pferde, eine scheckige Stute und ein Brauner mit Stirnblesse, schauten so nachhaltig herüber, daß Perchtold von deren Hunger und Durst sofort überzeugt war. Er ging erst um den Wagen herum, um zu sehen, ob sich ein geeigneter Beutel oder Ledereimer fände. Und da er nicht fündig wurde, trat er in den Stadel und suchte dort nach einem brauchbaren Gefäß. Schließlich griff er sich einfach ein großes Büschel Heu und ging damit auf die Pferde zu.
    »Hier, ihr zwei, ihr sollt auch nicht Hunger leiden. Brav, Brauner, gutes Pferd!«
    »Was schnüffelst du hier herum, du kleiner Mistkerl? Kümmere dich um deinen Dreck! Verschwinde!«
    Perchtold fuhr erschrocken herum und blickte direkt auf die Klinge eines langen Dolches. Der hing zwar noch gesichert am Gürtel, was aber nicht weniger furchterregend war, denn der Träger der gefährlichen Waffe schien ein wahrer Riese zu sein. Perchtolds Blick wanderte nach oben, bis sein Kopf schon im Nacken anstieß, als er endlich in das grimmige Gesicht dieses Wüterichs sah. Mit dünner Stimme rang der Junge um eine erklärende Antwort.
    »Ich wollte doch nur…«
    »Was?« Der Hüne packte Perchtold am Kittel und riß ihn in die Höhe.
    »Pack dich fort, du Lümmel, oder ich brech’ dir die Knochen!« Dabei stieß er ihn so grob von sich, daß der Knabe vor die Pferde stürzte, die nervös mit den Hufen scharrten.
    Perchtold rappelte sich auf und ließ sich die Warnung nicht zweimal sagen. Er lief kopflos auf die Taverne zu und prallte mit dem Bauch eines Gastes zusammen, der gerade aus der Türe trat.
    »Paß doch auf, du Tölpel!«
    Perchtold erhielt zu allem Übel noch zwei Tritte und eine kräftige Kopfnuß. Heulend vor Wut wollte er sich nicht in der Gaststube zeigen, sondern flüchtete sich hinter den Wagen, wo er den Pferden sein Leid klagte und Verwünschungen ausstieß. Die Klage wich rasch trotzigem Übermut und Perchtold überlegte, wie er den beiden vielleicht einen Streich spielen könnte. Plötzlich wurde er auf laute Stimmen aufmerksam, die aus der Scheune kamen. Es hörte sich nach Streit an, und Perchtold glaubte, die eigenartig kehligen Laute des Riesen zu vernehmen. Perchtold wurde neugierig und schlich sich im Schutz des fremden Wagens näher heran.
    »Du hättest den Kerl nicht entwischen lassen dürfen.«
    »Ist eben schiefgegangen.«
    »Was soll das heißen? So etwas darf verdammt noch mal nicht schiefgehen!«
    »Ist’s meine Schuld, wenn er sich grad umdreht, als ich zuschlagen will?«
    »Du solltest ihn ja auch nicht gleich umbringen. Hätt’ uns vielleicht von Nutzen sein können.«
    »Der hätte doch niemals sein Handwerk verraten. War so das beste. Glaub’ mir.«
    »Man hat’s gesehen. Jetzt ist die halbe Stadt aufgewühlt. Du hattest das nicht zu entscheiden. Hast du wenigstens das Geld?«
    Perchtold hörte plötzlich nichts mehr. Er mußte näher herankommen. Er kroch vorsichtig um das Ende des Wagens herum, und als er sah, daß ihm die beiden Streithähne den

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