Der Wachsmann
genüßlichem Zungenschnalzen wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem neugierig gewordenen Peter zu.
»Nicht, daß ich Euch belauscht hätte. Aber mir schien so, als suchtet Ihr jemanden. Vielleicht kann ich Euch behilflich sein.«
»Ein Freund von mir, der Floßmann Jakob, der kam wohl öfter hier vorbei. Und wiederum ein… ein Bekannter von ihm, ein Hüne namens Roland, der soll auch gelegentlich hier zu finden sein. Kennt Ihr einen von beiden?«
»Augenblicklich habe ich noch kein klares Bild von ihnen. Doch weshalb sucht Ihr beide?«
»Nun, eben so. Ich habe beide länger nicht geseh’n und fange an, mich zu sorgen.« Peter wunderte sich insgeheim, wie leicht ihm die Ausflüchte über die Lippen kamen und hoffte, daß der Herr sie als läßliche Fehler in der Not bewerten möge.
»Verstehe. Nein, ich kenne keinen von beiden. Bin auch noch nicht lange in der Gegend. Doch ich will Euch sagen, mein Meister beherrschte treffliche Künste, die er uns in seinem Heptameron hinterließ.« Er winkte Peter verschwörerisch zu sich her und fügte im Flüsterton hinzu: »Es ist neben dem Secretum secretorium des Aristoteles das großartigste und mächtigste Zauberbuch unserer Tage und beschreibt uns die Herstellung des magischen Kreises, die Namen der Engel und ihre Siegel, die Namen der Geister und die göttlichen Namen von Adonai bis Tetragrammaton, mit deren Hilfe wir die Geister rufen und dienstbar machen können.«
Peter staunte sein Gegenüber nun mit offenem Mund an.
»Ich sehe, Ihr seid interessiert. Es ist eine Kleinigkeit, und wir können herausfinden, was es mit der Abwesenheit Eurer Freunde auf sich hat.«
»Ich glaube…«
»Ja sicher. Ihr werdet nicht nur glauben, sondern restlos überzeugt sein. Es ist eigentlich ein ganz leichtes Unterfangen – natürlich nur für den Eingeweihten. Aber es bedarf dazu aufwendiger Vorbereitungen, so zum Beispiel die Beschaffung von Räucherwerk und geeigneter Kleidung. Ich brauchte dazu einen kleinen Vorschuß von – na, sagen wir vielleicht zwei Solidi.«
»Aber ich…«
»Nun, vielleicht tut es für den Anfang auch die Hälfte. Das zwingt zwar vermutlich nur einen niederen Dämon herbei, aber es wird reichen. Schlagt ein, und Euer Problem ist so gut wie gelöst.«
»Nein, haltet ein! Ich will das nicht.«
»Aber wieso denn nicht? Es ist ganz einfach. Oh, ich verstehe. Ihr fürchtet Euch?«
»Nein, das heißt… Es ist wider das Gebot der Kirche und ich habe…«
Peters Ausflüchte gingen im Gelächter seines Gegenübers unter.
»Aah, das ist gut, wirklich gut. Verzeiht, aber Ihr habt soeben einen köstlichen Witz…« Er winkte Peter wieder näher zu sich heran. »Sagt, wißt Ihr denn nicht, daß die größten Zauberer in den Reihen der Kirchenmänner zu finden sind? Glaubt Ihr etwa, daß Albertus Magnus, der doctor universalis und größte Kenner der Wissenschaften, das Wunder des Kristalls und die geheimen Kräfte der Steine ohne die Hilfe von Dämonen enträtselt hätte? Er besaß den Stein der Steine, mit dem er reich gedeckte Tafeln auffahren ließ, an denen ihn sein künstlicher Gehilfe, den er selbst geschaffen hatte, bediente. Hm… da wir gerade davon sprechen… glaubt Ihr, daß sich vielleicht ein Stück Braten zum Bier gesellen könnte?« Der geheimnisvolle Fremde machte rasch ein paar Zeichen in Richtung Wirt und fuhr fort in seiner mysteriösen Schilderung: »Oder nehmt Roger Bacon, der von Flugmaschinen und Unterwasserfahrten spricht und von riesigen Schiffen, die sich ohne Ruderkraft bewegen. Wie in Dreiteufels Namen soll das geschehen, wenn nicht mit Hilfe mächtiger Dämonen? Er offenbart uns auch das Geheimnis trinkbaren Goldes, das wunderbare Eigenschaften besitzt und gegen das Altern und jegliche körperliche Gebrechen wirkt.«
Die Magd brachte ihm eine scharf gewürzte Hammelkeule und einen Kanten Brot und stellte einen neuen, gut gefüllten Krug vor ihn hin.
»Aah, das ist das flüssige Gold der Scholaren, tut wohl und hält ewig jung.« Und während der gierige Zecher mit der einen Hand zum Trunk ansetzte, griff er mit der anderen ganz ungeniert nach den Keulen der Magd und fuhr ihr zwischen die Beine. Ihr fröhliches Quieken ließ auf Vertrautheit schließen, und ihr Protest kam denn auch nur halbherzig und gespielt.
In gewisser Weise versteht auch er zu zaubern, dachte Peter bei sich und betrachtete das frivole Geschehen mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung. Gleichzeitig rumorte in ihm das eben Gehörte, das so ganz
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