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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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wiederholt Drohungen ausstieß und der sich auch gestern abend heftig betrank. Der Wächter am Kaltenbachtor versichert, daß kurz vor Torschluß Konrad Peitinger die Stadt verließ und daß ihm wenig später ein pöbelnder Flößer namens Küchlmair folgte. Alles weitere könnt Ihr Euch wohl zusammenreimen. Es steht für mich auch außer Frage, daß dieser gewalttätige Kerl mit seinem Kumpan wegen des Geldes Streit bekam und ihn beseitigte. Als Flößer konnte er dabei leicht die Geschichte mit dem Faß arrangieren und einen Selbstmord vortäuschen. Und so kam er auch an die Hacke, mit der er jetzt den Verdacht auf höllische Mächte oder vielmehr einen angeblich ruhelosen Jakob Krinner lenken konnte. Heimtückisch ausgedacht und doch so dumm. Denn als Mörder kann schließlich nur jemand in Frage kommen, der außerhalb der Stadt wohnt, da der Peitinger die Stadt vor Torschluß nicht mehr lebend betrat.«
    »Dann kämen als Mörder fast alle Flößer in Frage«, wandte Peter trotzig ein, »denn die meisten wohnen außerhalb der Mauern und haben den Peitinger gehaßt. Und vergeßt nicht die Knechte und Ländgehilfen, die Holzarbeiter und Taglöhner, die Müller und Schmiede der Hammerwerke, die Walker und Färber, die Frauen an der Bleiche und…«
    »Jajaja«, unterbrach ihn der Richter unwirsch. »Nun werdet nur nicht vorlaut. Ihr wißt so gut wie ich, daß alle Hinweise gegen den zügellosen Streithammel Leonhart sprechen. Und der trägt den Strick gleichsam schon um den Hals.«
    »Verzeiht, wenn ich Euch widerspreche«, ließ sich jetzt Paul vorsichtig vernehmen.
    »Ah, der Herr Knoll kann sprechen«, höhnte der Richter. »Ich dachte schon, Ihr hättet das Mundwerk nur zum Schlucken.«
    Paul ignorierte zornbebend den Spott und fuhr so ruhig, wie es ihm nur möglich war, fort: »Wir haben Hinweise darauf, daß sich die Sache mit Jakob anders zugetragen haben könnte, und wenn Ihr uns ein paar Tage Zeit gebt, dann ließe sich vielleicht auch der Mord am Peitinger anders erklären.«
    »Was gibt es da noch zu erklären? ›Qui nimium probat, nihil probat‹, heißt es. Und die Dinge liegen doch klar auf der Hand.«
    »Wenn Ihr die Güte hättet…«
    »Oh, ich vergaß. Ich kann ja zu Euch nicht wie zu meinesgleichen reden«, fügte Konrad Diener herablassend hinzu. »Die Sentenz besagt: Wer zuviel beweisen will, beweist nichts.«
    »Man sagt aber auch«, erwiderte Paul unverdrossen, »je schlimmer es einer getrieben hat, desto sicherer ist er. Demnach dürfte der Leonhart jetzt nicht in der Schergenstube sitzen oder es gibt einen anderen, der es vielleicht viel toller trieb und der noch in Ehren sein Brot verzehrt.«
    »Ihr habt ja Witz«, gab der Richter boshaft zurück. »Doch worauf wollt Ihr hinaus?«
    Peter, der befürchtete, daß Paul sich nicht mehr lange in Zurückhaltung üben würde, schaltete sich wieder ein. »Mein Amtsbruder will damit sagen, daß Jakob vielleicht aus einem anderen Grund getötet wurde. Auf meinem Heimweg von Wolfratshausen entdeckte ich mögliche Spuren eines Überfalls auf ein Floß, mit einiger Sicherheit Jakobs Floß. Und sehr wahrscheinlich hat man ihn umgebracht, weil er von einer Schurkerei gewußt hat.«
    »Vermutungen, Spekulationen!« wehrte der Richter ab.
    »Oh, es gibt auch Beweise«, wagte sich Peter wieder vor. »Und wenn Ihr die Güte hättet, den Leonhart bringen zu lassen, dann könnte ich Euch auch seine Unschuld beweisen.«
    Konrad Diener und Paul blickten jetzt beide gleichermaßen mißtrauisch auf Peter. Doch schließlich gab der Richter dem Gerichtsdiener einen Wink.
    »Ich höre«, wandte er sich daraufhin wieder an Peter. Und der erzählte nun ausführlich von den Entdeckungen bei seiner Suche an der Isar und von dem Überfall auf ihn selbst. Er schilderte Pauls Erfahrungen beim Henker, die Beobachtungen an Jakobs Leiche und ihre diesbezüglichen Überlegungen. Und er erwähnte die bei Jakob gefundenen Pergamentstücke und deren bedauerlichen Verlust. Als Peter nach geraumer Zeit mit einem gewissen Stolz auf ihre gründlichen Nachforschungen zum Ende kam, zeigte sich der Richter gleichwohl unbeeindruckt von den Ausführungen. Ja, er schien sogar verärgert.
    »Was soll das, Peter Barth? Was treibt Ihr schon wieder für ein Spiel?« fragte der oberste Vertreter des Gesetzes mißmutig. »Ihr sprecht von wichtigen Beobachtungen an der Leiche. Aber habt Ihr dies etwa dem Leichenbeschauer gezeigt oder hat sie einer meiner Schergen gesehen – von mir ganz zu

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