Der Wachsmann
vernünftig zugeht«, erwiderte Paul spöttisch.
»Und was hat es mit den Schriftstücken auf sich?« wollte Agnes wissen.
»Gut, daß du’s sagst.« Paul holte ein weiteres Pergament hervor. »Ich hab’ es im Wams vom Peitinger gefunden.«
Alle drei starrten eine Weile auf die beschriebene Haut, als sei sie der Schlüssel zum Mysterium. In leicht zittriger Schrift stand darauf geschrieben:
Deus conteret dentes eorum in ore ipsorum:molas leonum confringet Dominus … Wiederum gaben fünf lateinische Verse in der Art eines Psalms ein Rätsel auf.
»Wir sollten es mit den anderen vergleichen«, löste Paul als erster die Spannung, »um festzustellen, ob es vom selben Schreiber stammt. Wo hast du denn die Schriftstücke, Peter?«
»Ich hab’ sie nicht mehr«, gab Peter kleinlaut zu. »Man hat sie mir bei dem Überfall entwendet.«
»Halleluja!« rief Paul sarkastisch und drehte die Augen zum Himmel. »Wir halten in der Sache so gut wie nichts in Händen, und das läßt sich der schlaue Herr Barth auch noch wegnehmen. Ein feines Stück Arbeit. Das Rätsel ist so gut wie gelöst. Ich darf dann wohl wieder zur Lände gehen.«
Doch vorerst ging keiner von beiden irgendwohin, denn der Richter schickte nach ihnen.
»Diesmal bist du dran«, erklärte Peter ungerührt.
Aber der Gerichtsdiener ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, daß beide aufgefordert waren zu erscheinen.
»Nun habt Ihr ja endlich Euren Mord«, polterte der Richter schon los, als Peter und Paul noch unter der Türe standen. »Seid Ihr nun zufrieden?«
Der Richter schien gar keine Antwort zu erwarten, denn er fuhr gleich selber fort: »Oh, Ihr könnt diesmal zufrieden sein. Ich habe nämlich auch den Mörder schon, und ich versichere Euch, er wird hängen. Und da er sich an einem Amtmann der Stadt vergriffen hat, soll sein Kadaver gevierteilt und an den vier Haupttoren zur Abschreckung aufgesteckt werden. Aber mit Euch, meine Herren, mit Euch bin ich sehr unzufrieden. Mir scheint, der ehrenwerte Ratsherr Pütrich hatte recht, als er Euren Umgang mit den Floßleuten beklagte. Wenn Ihr weniger mit ihnen saufen und mehr auf die Einhaltung der Ordnung achten würdet, dann wäre es um den Frieden in dieser Stadt besser bestellt. Aber nein, Ihr müßt Euch ja im Übertreten gewisser Regeln geradezu hervortun. Konrad Peitinger duldete keine Unregelmäßigkeiten. Und das wurde ihm vermutlich zum Verhängnis. Die Flößer sind ein derber, zügelloser Schlag, und Ihr mit Eurer Nachlässigkeit ermuntert sie geradezu. Ich denke, man wird Sorge tragen, daß Ihr in Euren Ämtern nicht bestätigt werdet. Und das zu Recht, wenn Ihr mich fragt.«
Der Richter war während seiner Strafpredigt auf und ab geschritten, und blieb nun unverwandt vor Paul stehen.
»Daß aus einem alten Bock kein Unschuldslamm werden wird, selbst wenn man ihm das Fell gerbte, weiß ich wohl. Aber Ihr«, er wandte sich an Peter, »Ihr, junger Mann, Ihr habt mich doch sehr enttäuscht. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat, daß ich auf Euer Gerede hereinfiel und Euch den Leichnam nach Wolfratshausen karren ließ. Man hätte ihn hier zu München nachträglich hängen sollen, wie es Dieben gebührt.«
Die beiden Gescholtenen schauten sich fragend an.
»Aber«, protestierte Peter zaghaft, »Jakob ist kein Dieb und wir haben jetzt Beweise, daß er ermordet wurde.«
»Ja, sicher, von seinem Komplizen«, entgegnete der Richter scharf. »Leonhart Küchlmair und Jakob Krinner haben gemeinsame Sache gemacht. Krinner wollte sich am Kaufmann Pütrich rächen oder durch einen Diebstahl schadlos halten. Doch war er alleine dazu nicht mehr in der Lage. Er kannte aber die Örtlichkeit und beschrieb sie seinem Kumpan, der am Sonntag während der Messe in das Haus eindrang und den Schrank aufbrach.«
Paul warf Peter einen Blick zu, als wollte er sagen: »Nun, hatte ich nicht recht mit meiner Befürchtung?«
»Aber…«
»Nein, sagt nichts!« fuhr der Richter Peter an. »Ihr wolltet mir weismachen, daß die frommen Flößer, durchs Zunftrecht angehalten, sonntags zur Messe gehen. Das mag für einzelne schon zutreffen. Doch Zunftmeister Hiltpurger räumte auf Befragen ein, daß beileibe nicht alle regelmäßig dem Gebot folgen und daß er des öfteren Säumige mit einer Geldbuße mahnen muß. Und nun ratet, wer an besagtem Sonntag wieder einmal seinen Rausch ausschlief und der Messe fernblieb. Ich will Euch behilflich sein: Es ist derselbe stadtbekannte Raufbold, der vor Zeugen
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