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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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lachte nicht. Und diesmal waren es in der Mehrzahl auch Elstern, auffallend viele, ganze Scharen davon. Im Volksglauben bedeutete dies nur eins: Krieg!
    Kaum hatte Peter den Wagen in den Hof des Maenhartbräu gelenkt, da lief ihnen auch schon die Agnes entgegen, als hätte sie den ganzen Tag bisher nur darauf gewartet.
    »Mutter, Mutter!« Perchtold umarmte sie innig. »Wir haben soviel erlebt, und den Peter haben die Räuber überfallen«, platzte das Kerlchen aufgeregt heraus.
    »Nichts passiert«, beschwichtigte Peter, »Ich erzähl’s dir später.«
    Sie umarmte ihn heftig und traf dabei versehentlich die Schwellung an Peters Kopf, der auch sogleich aufstöhnte.
    »War wohl doch nicht so harmlos«, argwöhnte die gewitzte Wirtin. »Nun komm erst mal herein. Drinnen sitzt auch schon einer, dem der Schädel brummt. Der ist von einem Bierfaß überfallen worden.«
    Während Agnes den Buben in ihre Kammer führte, um ihn vom Staub der Reise zu befreien und sich erzählen zu lassen, trat Peter in die Gaststube. Dort traf er auf ein Bild des Jammers. Paul saß alleine auf einer Bank, hatte den Kopf in die Hände gestützt und stierte in seinen leeren Becher.
    Peter ging auf ihn zu. »Grüß dich, alter Freund.«
    Paul verdrehte als Gruß gerade mal kurz die Augen. Es mußte schlimm um ihn stehen.
    »Man kann dich keinen Augenblick alleine lassen«, tadelte ihn der Jüngere grinsend. »Oder hat dich der Kummer überwältigt, weil ich weg war?«
    Paul brummelte etwas von egal und verfluchter Hacke und Geisterei, woraus sich Peter keinen Reim machen konnte.
    »Sag«, versuchte der Heimkehrer nochmals ein Gespräch zu beginnen, »hat man denn schon was gehört? Wird’s Krieg geben?«
    »Den haben wir schon«, erwiderte der Gefragte mürrisch.
    »Wie? Sind die Österreicher eingefallen? So red doch!«
    »Unsinn! Der Richter führt Krieg gegen die Floßleut’, und es schaut verdammt schlecht aus für einen von ihnen.« Paul berichtete von dem wenig erfreulichen Verlauf des Vormittags. Sein Zuhörer pfiff durch die Zähne, als er von des Peitingers unappetitlichem Hinscheiden hörte, und bestellte sich ebenfalls einen Krug Bier. Und als er von Leonharts Verhaftung vernahm, bemerkte Peter kopfschüttelnd:
    »Warum nur hat er immer das Maul so weit aufreißen müssen. Aber glaubst du, daß er’s auch war?«
    Paul zuckte mit den Achseln. »Was spielt das für eine Rolle, wenn’s ein Großteil da draußen glaubt, und der Richter scheint auch davon überzeugt zu sein. Und sei versichert, die wollen einen hängen sehen. Doch das Schlimmste weißt du ja noch gar nicht: Der Peitinger ist mit der Floßhack vom Jakob erschlagen worden.«
    Peter schaute den Erzähler ungläubig an. Für ihn paßte hier überhaupt nichts mehr zusammen. Der Leonhart sollte der Mörder sein und ausgerechnet mit der Floßhack vom Jakob.
    »Allmählich glaub’ ich selbst an Geisterei.«
    »Siehst du«, belehrte ihn Paul, »das tun die anderen schon lange. Und wer war es wohl, der verhindert hat, daß Jakob wieder ins Faß gesteckt und in die Isar geworfen wurde?«
    »Du glaubst doch nicht etwa…?«
    »Doch«, versicherte Paul bestimmt, »genau das denke ich. Wir sollten besser schon gar nicht mehr hier sein. Da fällt mir ein, daß ich schon lange ins Heilige Land pilgern wollte oder nach Rom oder Santiago de Compostela oder meinetwegen auch zu diesen seltsamen Menschen im fernen Indien. Dies scheint mir jetzt der rechte Zeitpunkt zu sein.«
    »Hör auf, Paul! Damit ist nicht zu scherzen!«
    »Du glaubst gar nicht, wie ernst mir das ist.«
    Sie saßen eine Weile da und schwiegen bedrückt, bis Agnes sich zu ihnen setzte: »Was wollt ihr denn nun tun?«
    Wenn sie die Versuchung auszureißen beiseite ließen, dann gab es zwei Möglichkeiten: Eigenständig den Richter aufzusuchen, um die Sache mit ihm zu diskutieren, oder abzuwarten, bis er eine freundliche Einladung schickte, die früher oder später kommen würde.
    »Habt ihr denn etwas herausgefunden, was man dem Richter sagen könnte?« fragte Agnes wieder ganz praktisch.
    Paul nickte Peter auffordernd zu. Schließlich war er unterwegs gewesen und in der Nähe des mutmaßlichen Tatorts.
    »Nun«, begann er, »die Lies, Jakobs Witwe, die hat die traurige Nachricht erstaunlich gefaßt aufgenommen. Aber direkt weiterhelfen, nein, das konnte sie nicht.« Peter hielt es für klüger, ihre wertvolle Hilfe beim Tor und die Faszination, die sie auf ihn ausgeübt hatte, im Beisein von Agnes nicht zu

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