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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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selbst auf eine gehobene Augenbraue oder ein ungläubiges Blinzeln höchst ungehalten reagiert hätte. Es war ihm gelungen, keine Miene zu verziehen und einen ernsten Ton zu bewahren.
    Nur zwei Personen hatten genügend Einfluss auf Channing Manheim, um ihn dazu bringen zu können, Ethan zu feuern: vom Hauspersonal war das Mrs. McBee, aus dem Kreis der anderen Angestellten eben jener Ming du Lac. Ethan wusste genau, wem er nicht auf die Zehen treten durfte.
    Anrufe von den Toten.
    Jedermann hat schon einmal den Hörer abgenommen, nur Schweigen gehört und erneut »Hallo!« gesagt, weil er angenommen hat, der Anrufer werde gerade von irgendjemandem abgelenkt oder es gebe ein Problem in der Schaltzentrale. Bleibt auch ein drittes »Hallo!« ohne Antwort, legen wir auf, überzeugt davon, dass jemand sich verwählt hat oder dass ein Spinner uns terrorisiert, falls es sich nicht um einen technischen Fehler handelt.
    Manche Leute, darunter auch das »Gesicht«, glaubten jedoch, ein Teil solcher Anrufe stamme von verstorbenen Freunden oder Verwandten, die vom Jenseits aus Kontakt zu ihnen aufnehmen wollten. Laut dieser Ansicht konnten die Toten zwar irgendwie ein Telefon zum Läuten bringen, hatten aber Probleme damit, ihre Stimmen über den Abgrund zwischen Leben und Tod zu senden. Deshalb hörte man nur Stille, ein merkwürdiges Rauschen oder – bei seltenen Gelegenheiten – geflüsterte Wortfetzen wie aus weiter Ferne.
    Nachdem Ming ihm den Zweck von Anschluss Nummer 24 erläutert hatte, war Ethan dem Thema etwas auf den Grund gegangen und hatte Folgendes erfahren: Erforscher paranormaler Phänomene hatten Tonbänder an Telefonleitungen angeschlossen, die nicht an Kunden vergeben worden waren. Wenn die Toten, so die Annahme, ein Telefon läuten lassen konnten, dann nutzten sie vielleicht auch den Vorteil einer Leitung, die speziell dazu diente, ihre Kommunikationsversuche aufzufangen.
    Anschließend hatten die Forscher die schwachen Geräusche der Aufnahmen verstärkt und aufbereitet. Dabei hatten sie tatsächlich Stimmen entdeckt. Sehr oft sprachen diese Englisch, gelegentlich aber auch Französisch, Spanisch, Griechisch und andere Sprachen.
    Die meisten dieser flüsternden Wesen gaben nur Bruchstücke von Sätzen oder zusammenhanglose Worte von sich, die kaum Sinn ergaben und nicht genügend Daten für eine Analyse lieferten.
    Andere, vollständigere »Botschaften« konnten gelegentlich als Vorhersagen oder gar unheilvolle Warnungen interpretiert werden. Sie waren allerdings immer kurz und nicht selten äußerst rätselhaft.
    Die Vernunft gebot, dass auf den Aufnahmen lediglich der Nachhall von Gesprächen zu hören war, die lebende Menschen gerade auf anderen Telefonleitungen führten.
    Viele der verständlichen Fragmente schienen sich auch tatsächlich mit Dingen zu beschäftigen, die einfach zu banal waren, um die Toten zu einem Kontakt zu den Lebenden zu bewegen: Fragen nach dem Wetter, nach den neuesten Schulnoten der Enkel, Satzfetzen wie: »… ich steh schon immer total auf Marmorkuchen, und deiner ist der allerbeste …«., »… spart man in der Zeit, so hat man in der Not …« und »… in dem Lokal, wo du so gern hingehst, herrscht in der Küche ein wahrer Saustall …«
    Und doch …
    Und doch klangen einige der Stimmen so gequält, so trostlos vor Verzweiflung oder so voller verzweifelter Liebe und Sorge, dass man sie nicht vergessen und sich nicht so leicht erklären konnte, besonders dann, wenn sie ihre Botschaften mit großer Eindringlichkeit vermittelten: »… die Flammen des Feuers, Flammen, schlaf heut nicht ein, Flammen …« und »… ich hab dir nie gesagt, wie sehr ich dich liebe, deshalb halt bitte nach mir Ausschau, wenn du rüberkommst, denk an mich …« und »… ein Mann in einem blauen Lieferwagen, lass ihn nicht in die Nähe unserer kleinen Laura, lass ihn nicht in ihre Nähe …«
    Diese besonders unheimlichen Botschaften, von denen Psi-Forscher berichtet hatten, waren Grund genug für Channing Manheim gewesen, Anschluss Nummer 24 ausschließlich für den Gebrauch mitteilungsbedürftiger Toter zu reservieren.
    Wo immer sie sich auf der Welt befanden, benutzten Manheim und Ming du Lac einen Teil ihrer täglichen Meditationssitzungen dazu, mit ihren Gedanken die Vorwahl und die siebenstellige Nummer für Anschluss 24 zu verbreiten. Sie warfen diesen Köder am Angelhaken ins Meer der Unsterblichkeit und hofften, damit einen Geist zu fangen.
    Bislang hatte das System über drei Jahre

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