Der Wächter
Reynerd untersuchte, die Schecks ebenfalls studieren, sobald er von seiner Grippe genesen war, nach Weihnachten wieder zur Arbeit kam und das unvollendete Drehbuch des toten Schauspielers gelesen hatte.
Wenn Ethan und Hazard jedoch so lange warteten, war Channing Manheim vielleicht schon tot – und Ethan ebenfalls.
Sie mussten nur die Schecks überprüfen, die in den ersten acht Monaten des Jahres ausgestellt worden waren, also vor dem Mord an Mina Reynerd.
Hazard nahm sich vier Bündel, die anderen vier schob er Ethan zu.
Im Drehbuch hatte ein arbeitsloser, unterschätztet Schauspieler an einer Universität einen Filmkurs belegt und Freundschaft mit dem dortigen Professor geschlossen. Anschließend hatten die beiden den Plan ausgeheckt, den berühmtesten Filmstar der Welt zu ermorden. Wenn für den fiktiven Professor tatsächlich ein reales, ebenso mordlüsternes Vorbild existierte, dann führte ein Scheck mit der Kursgebühr vielleicht zu der Hochschule, an der er zu finden war.
Bald wurde klar, dass Rolf Reynerd sich sehr engagiert um seine Weiterbildung bemüht hatte. Das sah man am Verwendungszweck der Schecks, den er jedes Mal sorgfältig eingetragen hatte. In den ersten acht Monaten des Jahres hatte er zwei dreitägige Wochenendkurse für Schauspieler besucht, einen für Drehbuchautoren, eine eintägige Veranstaltung zum Thema Publicity und Selbstvermarktung und zwei Universitätsseminare in amerikanischer Literatur.
»Sechs Möglichkeiten«, sagte Hazard. »Ich hab den Eindruck, dass wir da noch einen anstrengenden Tag vor uns haben.«
»Je früher wir das alles überprüfen, desto besser«, sagte Ethan. »Allerdings kommt Manheim erst am Donnerstagnachmittag aus Florida zurück.«
»Und?«
»Da bleibt uns auch noch der morgige Tag.«
Hazard schaute an Ethan vorbei zum Fenster und blickte hinaus ins Unwetter, als könnte er im Regen wie ein Wahrsager in einem Haufen feuchter Teeblätter die Zukunft lesen.
»Vielleicht sollten wir uns nicht darauf verlassen«, sagte er nach einer Weile. »Ich habe das Gefühl, dass die Zeit allmählich knapp wird.«
58
Als das kaum verhüllte Knochengestell auf dem Boden zusammenbrach, gab es keinen erstaunten Schrei von sich, kein Stöhnen, kein Mem.
Um sich zu vergewissern, dass Brittina wirklich tot war, hätte Corky ihr am liebsten noch eine Kugel verpasst, diesmal in den Hinterkopf. Leider hatte seine Waffe zu bellen angefangen.
Selbst Schalldämpfer bester Qualität nutzten sich beim Gebrauch ab. Egal, welches Material im Pistolenaufsatz zur Dämpfung verwendet wurde, bei jedem Schuss wurde es komprimiert und verlor an Wirkung.
Außerdem besaß Corky keinen Schalldämpfer der Qualität, wie ihn CIA-Agenten verwendeten. Wenn man ein solches Ding von einem radikalen Öko-Aktivisten kaufte, konnte man schließlich nicht erwarten, dass Werkstoffe und Fertigung den Maßstäben einer großen Waffenschmiede entsprachen.
Hokenberry hatte er sechs Kugeln in den Leib gepumpt, Brittina zwei. Schon nach gerade mal acht Schüssen fand die Pistole also ihre Stimme wieder.
Wahrscheinlich hatte man den letzten Schuss außerhalb des schmalen Hauses noch nicht hören können, aber der nächste wurde bestimmt noch lauter. Corky war ein Mann, der durchaus bereit war, ein kalkuliertes Risiko einzugehen, aber das lohnte sich hier nicht.
In der Werkzeugtasche seines Wagens, die im Kofferraum lag, befanden sich ein neuer Schalldämpfer, ferner ein Nachtsichtgerät und ein Schächtelchen mit Injektionsspritzen nebst Beruhigungsmitteln und Giften. Außerdem noch zwei Handgranaten.
Wie immer hatte Corky nicht direkt vor Brittinas Haus geparkt, sondern in einer anderen Straße. Weil er Professor war und sie Studentin, hatten sie ihre Romanze mit äußerster Diskretion behandelt.
Zum BMW zu gehen, um einen neuen Schalldämpfer zu besorgen, schien die Sache unnötig zu verkomplizieren. Deshalb kniete sich Corky einfach neben seine durchlöcherte Geliebte, legte ihr die Hand an den Hals und fühlte an der Schlagader nach dem Puls.
Brittina war mausetot.
Im Bad wusch Corky sich Genitalien, Hände und Gesicht. Wenn man das Chaos liebte, brauchte man trotzdem nicht auf gute Körperhygiene zu verzichten.
Aus dem Arzneischränkchen holte er eine große Flasche Mundspülung. Da Brittina tot war und in keiner Weise mehr Anstoß daran nehmen konnte, setzte er die Flasche an den Mund, nahm einen tüchtigen Schluck und gurgelte.
Brittinas Küsse hatten einen schlechten Nachgeschmack
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