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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Stränge. Ethan war zwar nicht recht wohl dabei, aber er hatte das tröstliche Gefühl, dass sie wenigstens die Zügel in die Hand nahmen.
    Eine Notiz an Rolf Reynerds Tür wies warnend darauf hin, dass in Apartment 2B eine polizeiliche Ermittlung stattfand. Der Zutritt sei daher allen Personen verboten, die nicht vom Präsidium oder der Staatsanwaltschaft dazu ermächtigt seien.
    Die beiden ignorierten diese Warnung.
    Das Sicherheitsschloss an der Tür war polizeilich versiegelt. Ethan brach das Siegel auf und riss es ab.
    Hazard hatte einen mechanischen Schlossöffner dabei, der ausschließlich an Polizeibehörden verkauft werden durfte. Unter gewöhnlichen Umständen hätte er das Gerät auch nur mit dem üblichen Papierkram bekommen, indem er den genauen Verwendungszweck angab. Im Allgemeinen ging das nur, wenn zudem ein Durchsuchungsbefehl existierte.
    Von gewöhnlichen Umständen konnte derzeit nicht die Rede sein.
    Aus diesem Grund hatte Hazard sich einen der Schlossöffner seiner Dienststelle mit unkonventionellen Mitteln besorgt. Bis er das Ding wieder in das Schließfach legte, wo es hingehörte, bewegte er sich auf einem schmalen Grat zwischen Rechtschaffenheit und Verderben.
    »Wenn du es mit einem Phantom zu tun hast, das in Spiegeln verschwindet«, hatte er erklärt, »hängt dein Arsch sowieso über dem Abgrund.«
    Hazard schob die dünne Spitze des Schlossöffners in den Schlüsselkanal unter die Zuhaltung, dann drückte er viermal auf den Auslöser, bis die Stahlfeder des Geräts sämtliche Stifte im Zylinder gelöst und damit das Schloss geöffnet hatte.
    Ethan folgte Hazard in die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu. Beim Weitergehen bemühte er sich, nicht auf die roten Flecken – Reynerds Blut – zu treten, die den weißen Teppichboden hinter der Schwelle verunstalteten.
    Auf diesem Teppichboden hatte er selbst sein Blut verströmt und war daran gestorben. Die Erinnerung daran war zu lebendig, um ein Traum zu sein.
    Die schwarz-weißen Möbel, die Fotos und die restliche Wohnungseinrichtung sahen genauso aus, wie er das alles im Gedächtnis hatte.
    An der Wand war ein wirbelnder Taubenschwarm mitten in der Luft erstarrt. Wildgänse zogen über einen düsteren Himmel wie weiße Kalkflecken auf grauem Schiefer, und ein Eulenparlament hockte auf einem Scheunendach und debattierte über das Schicksal der Mäuse.
    Hazard war dabei gewesen, als seine Kollegen am Vorabend die Wohnung durchsucht hatten. Er wusste, was als mögliches Beweismittel mitgenommen worden und was dageblieben war.
    Ohne sich umzuschauen, ging er schnurstracks auf die Ecke des Wohnzimmers zu, in der der schwarz lackierte Schreibtisch mit Schubladenknöpfen aus imitiertem Elfenbein stand. »Was wir suchen, ist wahrscheinlich hier drin«, sagte er und machte sich daran, die Schubladen von oben nach unten zu durchsuchen.
    Krähen auf einem Eisenzaun, ein Adler auf einem Felsen, ein scharf blickender Reiher, der so prähistorisch wie ein Pterodaktylus aussah – sie alle blickten von anderen Zeiten und anderen Orten in dieses Zimmer.
    Ohne sich seiner Angst zu schämen, hatte Ethan das Gefühl, dass die Vögel den Kopf nach ihm umdrehten, sobald er den Blick von den Fotos abwandte. Sie wussten allesamt, dass ihm eigentlich der Tod gebührte, während der Mann, der ihre Porträts gesammelt hatte, am Leben sein und sie bewundern sollte.
    »Na also«, sagte Hazard und zog eine Schuhschachtel aus einer der Schubladen. »Kontoauszüge und eingelöste Schecks.«
    Die beiden setzten sich an den mit schwarzem Resopal beschichteten Metalltisch der Essecke, um Reynerds finanzielle Transaktionen zu durchforsten.
    Neben dem Tisch: ein Fenster. Hinter dem Fenster: der stürmische Tag, nur aus Grauschattierungen bestehend, vom Wind gepeitscht und vom Regen überspült, nun ohne Blitz und Donner, aber noch immer unheilvoll und düster.
    Das Tageslicht war zu schwach, als dass man dabei anständig arbeiten konnte. Hazard stand auf und knipste den kleinen, schwarz-weißen Porzellanleuchter über dem Tisch an.
    Elf Bündel Schecks, die von Gummibändern zusammengehalten waren, eines für jeden Monat des Jahres von Januar bis November. Die eingelösten Schecks des laufenden Monats würde die Bank erst Mitte Januar zurückschicken.
    Wenn sie fertig waren, mussten sie alles in die Schuhschachtel zurücklegen und diese genau so, wie Hazard sie vorgefunden hatte, in der Schublade unterbringen. Zweifellos würde Sam Kesselman, der den Mord an Mina

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