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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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seiner eigenen Entscheidungen, nicht, weil er ungehindert seinen freien Willen ausgeübt hat, sondern weil Sie ihm die nahe Zukunft offenbart haben.« Typhon schüttelt seufzend den Kopf. Er sieht traurig drein, als würden ihm die nächsten Worte irgendwie im Vorhinein Leid tun: »Das ist nicht gut, mein Lieber. Das ist gar nicht gut für Sie.«
    Erst einen kurzen Augenblick zuvor war Dunny dankbar gewesen, weil sein Mentor nicht zornig war. Nun sieht er Typhons stille Betroffenheit und dessen Bedauern mit Besorgnis, weil das bedeuten könnte, dass die Entscheidung schon gefallen ist.
    »Es gab eine Menge Tricks, Mr. Yancy indirekt davon abzubringen, das Haus zu betreten«, sagt Typhon.
    Offenbar kann er seine Frohnatur nicht lange unterdrücken, jedenfalls umspielt seinen Mund schon wieder ein Lächeln. Die blauen Augen funkeln so vergnügt, dass er zu seinem weißen Haar nur noch einen falschen Bart und einen weniger eleganten Anzug brauchte, um in zwei Tagen selbst jener zu sein, der einen Schlitten besteigt und sich mithilfe flügelloser Rentiere in die Lüfte erhebt.
    Typhon beugt sich verschwörerisch über den Tisch. »Tja, mein Lieber, mit einem bisschen Spuk hätten Sie ihn problemlos von diesem Haus wegscheuchen können, zu seiner Oma Rose oder in eine Kneipe. Es war nicht nötig, so direkt zu sein. Und wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie Ihren Freund Ethan bestimmt nicht retten können, sondern womöglich sogar selbst die Ursache dafür sein, dass er – und der Junge – zu Tode kommen.«
    Die beiden starren sich an.
    Dunny verkneift sich die Frage, ob er seine Aufgabe fortführen dürfe, weil er befürchtet, die Antwort schon zu wissen.
    Typhon nippt wieder an seinem Martini. »Ach ja, Sie sind eben ein Heißsporn, Dunny. Sie sind eigensinnig, ungestüm, frustrierend – aber auch einfach zum Schießen! Ich amüsiere mich köstlich über Sie, wirklich!«
    Unsicher, wie er diese Worte deuten soll, sitzt Dunny nur stumm da.
    »Ich will nicht unhöflich sein«, sagt Typhon, »aber meine Gäste kommen gleich. Nicht grundlos sagt der Dichter: ›Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein!‹ Der hohle Blick, den Sie da zur Schau tragen, könnte abschreckend wirken. Es handelt sich um misstrauische Leute, die allen Grund haben, übernervös zu sein. Ein Politiker und zwei seiner Handlanger.«
    »Darf ich Ethan denn weiter beschützen?«, wagt Dunny nun doch zu fragen.
    »Nach Ihren wiederholten Fehltritten hätte ich große Lust, Sie sofort abzuziehen. Schließlich müssen auch für Schutzengel gewisse Regeln gelten, finden Sie nicht auch? Gute Absichten reichen da nicht aus. Hier geht es um einen Job, der mehr Moral verlangt als der unserer Senatoren und ähnlicher Falschspieler.«
    Typhon erhebt sich, worauf Dunny sofort ebenfalls auf die Beine springt.
    »Dennoch, mein Lieber, habe ich mich entschieden, ein letztes Mal Nachsicht walten zu lassen.«
    Dunny drückt die Hand, die ihm sein Mentor reicht. »Danke, Sir.«
    »Aber Sie müssen sich klar machen, dass es sich nur um eine Galgenfrist handelt. Wenn es Ihnen zukünftig nicht gelingt, sich an unsere Vereinbarung zu halten, dann werden Ihre Befugnisse und Kräfte unverzüglich widerrufen, und Sie gelangen sofort heim in die Ewigkeit.«
    »Ich werde mich an unseren Deal halten.«
    »Und wenn Sie heimgeschickt werden, dann muss Ethan sich allein durchschlagen.«
    »Wirklich, ich halte mich daran.«
    Typhon legt Dunny eine Hand auf die Schulter und drückt ihn liebevoll wie ein Vater, der seinem Sohn einen guten Rat gibt. »Mein Lieber, Sie sind so lange auf der schiefen Bahn gewandelt, dass es gewiss nicht leicht ist, nun den rechten Weg zu gehen. Ab jetzt müssen Sie in jeder Sekunde darauf achten, wohin Ihre Schritte Sie führen.«
    Zu Fuß verlässt Dunny das Restaurant und geht den Kai entlang, umhüllt von milchigen Schwaden, in denen die tiefen, hohlen Töne von Nebelhörnern widerhallen. Durch den Nebel, das Mondlicht darüber und die bloße Vorstellung des Palazzo Rospo in Bel Air geht er auf die Reise und kommt im selben Augenblick auch schon dort an.

74
    Zwei Kugeln im Hirn . 
    Obwohl Hazard eine kugelsichere Weste aus Kevlar trug, wusste er genau, was für ein leichtes Ziel sein Charakterschädel abgab. Er schloss die Wagentür und überquerte die Straße.
    Das Haus des Muttermörders wirkte wie ein Magnet auf den Nebel, der aber nicht als geschlossene Bank heranzog, sondern in seltsamen Wirbeln und wallenden Schwaden. Leichtfüßig schlich

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