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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wo du gerade bist!«
    »Ich habe die besten Referenzen.«
    »Ach, hör doch auf!«
    »Ich kann gern hier rausgehen und zu dir kommen. Bist du in einem der Obduktionsräume oder noch an deinem Schreibtisch?«
    Romans Flüstern wurde leiser, aber dafür noch eindringlicher. »Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank! Willst du, dass man mich rausschmeißt?«
    »Ich will bloß eine Bestellung aufgeben«, sagte Corky.
    Vor kurzem hatte Roman ihm zehn Vorhäute verschafft, die in einem Schraubglas mit Konservierungslösung lagerten. Die Dinger stammten von zur Einäscherung bestimmten Leichen.
    Corky hatte das Glas samt einer Gebrauchsanleitung an Rolf Reynerd weitergegeben. Trotz seiner angeborenen Dämlichkeit hatte dieser es geschafft, es in einer schwarze Schachtel zu verpacken und an Channing Manheim zu schicken.
    »Ich brauche noch mal zehn«, fuhr Corky fort.
    »Deshalb kannst doch nicht einfach hier reinmarschieren! Du hast hier nichts zu suchen, du Trottel! Ruf mich zu Hause an.«
    »Ich hab das für ’nen guten Scherz gehalten. Wollte dich bloß mal zum Lachen bringen.«
    »Lieber Himmel«, sagte Roman mit zittriger Stimme.
    »Und ich dachte, du bist Satanist«, sagte Corky.
    »Idiot.«
    »Hör mal, Roman, wo bist du jetzt eigentlich? Wie komme ich zu dir? Wir haben was zu besprechen.«
    »Bleib, wo du bist!«
    »Also, ich weiß nicht recht. Allmählich kriege ich hier ein bisschen Platzangst. Mir wird schon ganz unheimlich zumute.«
    » Bleib , wo du bist ! Ich bin in zwei Minuten da.«
    »Jetzt hab ich gerade was ziemlich Seltsames gehört. Ich glaube, eine von den Leichen hier ist lebendig.«
    »Keine von denen ist lebendig.«
    »Doch, bestimmt, der Typ da drüben in der Ecke hat gerade was gesagt.«
    »Dann hat er dich als Idiot bezeichnet.«
    »Vielleicht habt ihr versehentlich ’nen Lebenden hier reingelegt. Mir ist wirklich nicht mehr so ganz geheuer.«
    »Zwei Minuten«, wiederholte Roman. »Du wartest, wo du bist. Komm bloß nicht da rausspaziert, sonst fällst du womöglich jemandem auf, und dann schneide ich dir die Vorhaut ab.«
    Roman beendete das Telefonat.
    In der Gruft der unbekannten, mittellosen Toten legte auch Corky den Hörer auf.
    »Bei aller Bescheidenheit«, erklärte er mit einem Blick auf sein weiß verhülltes Publikum, »ich könnte Channing Manheim durchaus ein paar schauspielerische Tricks beibringen.«
    Er erwartete keinen Beifall und brauchte auch keinen. Eine perfekte Darbietung war ihm Lohn genug.

25
    Auf die Stadt der Engel fiel Schnee. So unglaublich es war, der Schäferwind trieb weiße Flocken aus den dunklen Weiden über der Welt und scheuchte sie sanft zwischen Feigenbäumen und Palmen hindurch, Straßen entlang, die noch nie eine weiße Weihnacht erlebt hatten.
    In seinem Bett liegend, schaute Ethan verblüfft hinaus in die wirbelnde Nacht.
    Hatte ein heftiger Windstoß das Dach vom Haus gehoben? Dann würde der Schnee die Möbel unter sich begraben und den Teppichboden ruinieren.
    Bald musste er aufstehen und durch den Flur zum Zimmer seiner Eltern gehen. Sein Vater würde wissen, was wegen des fehlenden Dachs zu tun war.
    Zuerst jedoch wollte Ethan das Schauspiel genießen – den endlosen Kristallleuchter aus Schneeflocken am Himmel, die herrlichen Girlanden geschliffener Glasperlen, wirbelnd und glitzernd.
    Reif bedeckte seine Wimpern.
    Die Schneeflocken bedeckten das Gesicht mit kalten Küssen und schmolzen auf den Wangen.
    Als sein Blick sich klärte, sah er, dass die Dezembernacht in Wirklichkeit voller Regentropfen war, denen seine verschleierten Augen kristalline Strukturen und geheimnisvolle hieroglyphische Formen verliehen hatten.
    Sein soeben noch so weiches Bett war in eine schwarze, unnachgiebige Fläche verwandelt worden.
    Er spürte keine Schmerzen, nur sein Federkissen drückte sich hart wie Straßenpflaster an den Hinterkopf.
    Der Regen fiel ihm kalt wie Schnee aufs Gesicht und auf die nach oben gewandte linke Hand.
    Auch die rechte Hand lag offen da, doch an ihr spürte er weder die Kälte noch das Klopfen und Tropfen des Regens.
    Auch die Beine konnte er nicht spüren. Konnte sie nicht bewegen. Konnte nichts anderes bewegen als den Kopf und die linke Hand.
    Wenn sein dachloses Zimmer sich mit Regen füllte und er sich nicht bewegen konnte, dann musste er ertrinken.
    In dem Teich aus träumerischer Spekulation, auf dem Ethan nun trieb, jagte auf einmal ein plötzliches Entsetzen haigleich durch die Tiefen unter ihm, kam immer näher.
    Er schloss

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