Der Wächter
Talents nur glühende Kohlen waren, dann würde Henry Laputa glücklich und zufrieden sein.
Jahr für Jahr waren seine Romane jedoch nur halbherzig gelobt worden, und das meist von Kritikern, die nicht zur ersten Garde ihrer Zunft gehörten. Die erwarteten Preise blieben ebenso aus wie die Ehrungen, die er verdiente. Sein Genie wurde einfach nicht erkannt.
Abgesehen davon bemerkte er, dass viele seiner literarischen Kollegen ihn irgendwie gönnerhaft behandelten, was in ihm schließlich die Erkenntnis reifen ließ, dass sie allesamt Mitglieder eines Klubs waren, aus dem man ihn ausgeschlossen hatte. Natürlich erkannten sie sein überlegenes Talent, aber sie hatten sich verschworen, ihm die Lorbeeren zu versagen, die er verdiente, weil sie allein darauf bedacht waren, die Stücke des Kuchens zu behalten, die sie sich ergaunert hatten.
Kuchen. Henry erkannte, dass selbst in der literarischen Welt der Gott aller Götter Mammon hieß. Das schmutzige kleine Geheimnis seiner Kollegen. Die schoben Preise hin und her, die schwatzten unentwegt von Kunst, aber sie waren nur darauf erpicht, diese Auszeichnungen zu benutzen, um die eigene Karriere anzukurbeln und reich zu werden.
Diese Einsicht in die verschwörerische Habgier der Literaten war Dünger, Wasser und Sonnenschein für den Garten von Henrys Hass. Seine schwarzen Blumen der Antipathie gediehen wie nie zuvor.
Frustriert über die Weigerung, ihm den Ruhm zu gewähren, den er verdiente, machte Henry sich daran, den Neid seiner Kollegen mit einem Roman zu wecken, der ein gewaltiger kommerzieller Erfolg sein würde. Er glaubte, alle handwerklichen Tricks und die vielen Formen süßlicher Sentimentalität zu kennen, mit denen Schmierfinken wie Charles Dickens den Pöbel manipuliert hatten. Er würde ein unwiderstehliches Buch schreiben, Millionen einstreichen und die falschen Literaten vor Neid erblassen lassen.
Besagtes kommerzielles Epos fand zwar tatsächlich einen Verleger, aber kein Publikum. Die Honorare waren dürftig. Statt ihn mit Geld zu überschütten, ließ ihn Gott Mammon in einem Gewitter aus Unflat stehen. Nicht anders hatte ein wichtiger Kritiker seinen Roman bezeichnet.
Als weitere Jahre vergingen, verdichtete Henrys Hass sich zu einer Boshaftigkeit, die rein, hartnäckig und einzigartig giftig war. Er suhlte sich in dieser Boshaftigkeit, und mit der Zeit verweste sie zu einem Groll, der so virulent und unerbittlich war wie Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Während Henry James Laputa, gerade dreiundfünfzig Jahre alt, bei der Jahrestagung des Anglistenverbandes vor einem gleichgültigen akademischen Publikum eine beißende Rede voller Feuer und Empörung hielt, erlitt er einen schweren Herzanfall. Er starb so plötzlich und mit solcher Souveränität, dass einige seiner Zuhörer glaubten, er habe sich kühn auf den Hosenboden plumpsen lassen, um das Argument, das er gerade angeführt hatte, zu unterstreichen. Sie applaudierten kurz, bevor sie merkten, dass es sich nicht um einen rhetorischen Kunstgriff, sondern um den Tod handelte.
Corky hatte sehr viel von seinen Eltern gelernt. Er hatte gelernt, dass Neid allein keine Weltanschauung darstellte. Er hatte gelernt, dass angesichts eines alles verzehrenden, alles umfassenden und nie endenden Hasses kein freudvoller Lebensstil und kein heiterer Optimismus existieren konnte.
Außerdem hatte er gelernt, weder den Gesetzen noch dem Idealismus oder gar der Kunst zu vertrauen.
Seine Mutter hatte den Gesetzen der Ökonomie und den Idealen des Marxismus vertraut. Geendet hatte sie als verbitterte alte Frau ohne Hoffnung und Perspektive, die fast erleichtert ausgesehen hatte, als ihr eigener Sohn sie mit einem Schürhaken zu Tode knüppelte.
Corkys Vater hatte geglaubt, die Kunst wie einen Hammer benutzen zu können, um die Welt dazu zu zwingen, sich ihm zu unterwerfen. Die Welt drehte sich immer noch, aber Dad war eingeäschert und auf dem Meer verstreut, als hätte er nie gelebt.
Chaos.
Chaos war die einzige verlässliche Kraft im Universum, und Corky diente dieser Kraft mit dem Vertrauen, dass sie ihm ebenfalls immer dienen würde.
Durch die schillernde Stadt, durch die Nacht und den unerbittlichen Regen fuhr er nach West Hollywood, wo der unzuverlässige Rolf Reynerd sterben musste.
An beiden Enden der Häuserzeile, in der Reynerd wohnte, war die Straße durch Polizeisperren verbarrikadiert. Beamte, deren schwarze Regenmäntel fluoreszierende gelbe Streifen aufwiesen, winkten mit Leuchtstäben, um den
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