Der Wächter
Verkehr umzuleiten.
In den Grundfarben des Notfalls rauschten helle Regenschleier durch die pulsierenden Lichter von Krankenwagen und knüpften hektische Muster auf dem nassen Straßenpflaster.
Corky fuhr an der Sperre vorbei. Zwei Querstraßen weiter fand er einen Parkplatz.
Möglich, dass das geschäftige Treiben in Rolf Reynerds Straße in keinem Zusammenhang mit dem Schauspieler stand, wenngleich Corkys Intuition ihm etwas anderes einflüsterte.
Sorgen machte er sich dennoch nicht. Egal, in welches Schlamassel Rolf Reynerd sich da manövriert hatte, Corky würde eine Möglichkeit finden, die Situation zu seinem Vorteil umzumünzen. Wirrwarr und Tumult waren seine Freunde, und er war davon überzeugt, dass er in der Kirchengemeinde des Chaos ein Lieblingskind war.
29
Fric spürte, dass er durch irgendeinen magischen Einfluss des Backsteinbodens unter ihm, der Backsteinwände rundum und des niedrigen Backsteingewölbes selbst in einen Backstein verwandelt worden war, während er der leisen Stimme des Fremden lauschte.
»Die geheime Kammer hinter deinem Kleiderschrank ist nicht so geheim, wie du denkst, Aelfric. Dort bist du nicht sicher, wenn Robin Goodfellow dir einen Besuch abstattet.«
»Wer?«
»Bei meinem letzten Anruf habe ich ihn die Bestie in Gelb genannt. Er nennt sich selbst gern Robin Goodfellow, aber er ist weit bösartiger, als das klingt. In Wahrheit ist er Moloch, dem zersplitterte Kinderknochen zwischen den Zähnen stecken.«
»Dann braucht er wohl dringend extra starke Zahnseide«, sagte Fric. Ein Zittern in seiner Stimme strafte die schnoddrigen Worte Lügen. In der Hoffnung, dass der Mysteriöse Anrufer seine Angst nicht bemerkt hatte, sprach er schnell weiter. »Robin Goodfellow, Moloch, Kinderknochen – ich kapiere überhaupt nichts.«
»Ihr habt doch eine große Bibliothek im Haus, nicht wahr, Aelfric?«
»Und ob.«
»Und in dieser Bibliothek muss doch auch ein gutes Wörterbuch stehen.«
»Wir haben ein ganzes Regal voller Wörterbücher«, sagte Fric, »allein schon um zu zeigen, wie gebildet wir sind.«
»Dann schau dort alles nach. Mach dich mit deinem Feind vertraut, Aelfric, um dich auf das vorzubereiten, was kommt.«
»Wieso sagen Sie mir nicht einfach, was kommt? Ich meine: klar, einfach, leicht zu verstehen.«
»Das liegt nicht in meiner Macht. Ich habe keine Lizenz, direkt in Aktion zu treten.«
»James Bond sind Sie also nicht.«
»Ich bin nur ermächtigt, auf Umwegen zu operieren. Also kann ich ermutigen, inspirieren, erschrecken, verleiten, raten. Ich beeinflusse das Geschehen durch alles, was listig, gerissen und verführerisch ist.«
»Sind Sie etwa so was wie ein Anwalt?«
»Du bist ein interessanter junger Mann, Aelfric. Es wird mir ehrlich Leid tun, wenn man dir den Bauch aufschlitzt und dich ans Tor des Palazzo Rospo nagelt.«
Fast hätte Fric aufgelegt.
Die um den Hörer gekrampfte Handfläche wurde ölig vor Schweiß.
Es hätte ihn nicht überrascht, wenn der Mann am anderen Ende der Leitung den Schweiß gerochen und etwas über dessen salzigen Geschmack bemerkt hätte.
Als er auf das Thema eines speziellen, geheimen Orts zurückkam, bemühte er sich, ruhig zu sprechen. »Wir haben einen Panikraum im Haus«, sagte Fric. Damit meinte er die verborgene gepanzerte Kammer, in die selbst die entschlossensten Kidnapper oder Terroristen nicht vordringen können sollten.
»Weil euer Haus so groß ist, habt ihr sogar zwei Panik-räume«, sagte der Mysteriöse Anrufer, womit er natürlich Recht hatte. »Aber beide sind bekannt, und in keinem davon wirst du in jener Nacht sicher sein.«
»Und wann ist jene Nacht?«
»Also, es ist ein Pelzmagazin«, sagte der Mann geheimnisvoll.
»Ein was?«
»Vor langer Zeit wurde deine hübsche Suite von der Mutter des Bauherrn bewohnt.«
»Woher wissen Sie, welche Zimmer ich habe?«
»Sie besaß eine ganze Sammlung teurer Pelzmäntel. Nerz, Zobel, Graufuchs und Silberfuchs, Chinchilla.«
»Haben Sie sie gekannt?«
»Der mit Stahl ausgekleidete Raum hatte den Zweck, die Pelzmäntel vor Dieben, Motten und Mäusen zu schützen.«
»Waren Sie schon mal in unserem Haus?«
»Die Pelzkammer ist ein schlechter Ort, um einen Asthmaanfall zu bekommen …«
»Wie haben Sie davon erfahren?«, fragte Fric fassungslos.
»… aber es ist ein noch schlechterer Ort, um dort von Moloch gefangen zu werden, wenn er kommt. Die Zeit wird knapp, Aelfric.«
Die Verbindung brach ab, und Fric stand allein im Weinkeller da. Obwohl er
Weitere Kostenlose Bücher