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Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Titel: Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Preisendörfer
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niederzuschlagen. Auch Herzog Carl August von Sachsen-Weimar zeigte sich beunruhigt: »Es ärgert mich sehr, dass Bauern in meinem Lande sich vom Kitzel der Unfolgsamkeit wollen antreiben lassen. Man ersticke nur die Keime, dann werden wohl die Übel nicht rege werden. Der deutsche gemeine Mann ist mit dem Sinn der Subordination geboren. Diesen erhalte man nur und beweise ihm tätig, dass er sich irre, wenn es ihm auch nur einfällt, über Schwindeleien zu grübeln.«
    Vorsicht Revolution
    »Schwindelei« war die deutsche Vokabel für die Geschehnisse in Frankreich, jedenfalls für diejenigen, die der Revolution ablehnend gegenüberstanden. Auch Seume spottete 1793 in der Abhandlung Über Prüfung und Bestimmung junger Leute zum Militär über die »Schwindlinge an der Seine«, und dies sicher nicht nur, weil die Schrift seinem Chef, General Igelström, gewidmet war. Noch im Spaziergang versichert er dem Leser:
»Du weißt, dass ich durchaus kein Revolutionär bin; weil man dadurch meistens das Schlechte noch schlimmer macht«.
    Dieser Einwand kursierte, seit der Terror des Pariser Wohlfahrtsausschusses viele deutsche Schriftsteller und Gelehrte über ihre eigene Courage hatte so erschrecken lassen, dass sie auch mental wieder zu jener Ordnung zurückkehrten, die von ihnen politisch ohnehin nie infrage gestellt worden war. Schon deshalb nicht, weil man die republikanische Selbstregierung für eine historische und systematische Unmöglichkeit hielt, jedenfalls für ausgedehnte und volkreiche Staaten.
    Auch Wieland war dieser Ansicht. Die Revolution mochte in Frankreich unvermeidlich gewesen sein, die Abschaffung der Monarchie schien ihm dennoch ein Fehler. In Deutschland wiederum sei die Unterdrückung des Volkes verglichen mit Frankreich so viel geringer, dass eine Revolution weder zu erwarten noch überhaupt nötig sei. Dem Chaos eines Umsturzes sei das geordnete Fortschreiten der Aufklärung vorzuziehen, stetiges Reformieren für alle besser als eine von niemandem berechenbare Revolution.
    Seume teilte im Großen und Ganzen diese Perspektive. In den Apokryphen warnte er:
»Es ist nur noch ein Ungeheuer, welches gräßlicher ist als Tyrannenunvernunft, die Volkswut; und nur die Furcht vor der letzten macht die erste erträglich …«
    Noch im gleichen Satz folgt jedoch der Hinweis, dass es zu den Herrschaftstricks gehört, die Furcht vor dem Volk zu schüren:
»… auch weiß die erste sehr künstlich mit der letzten zu schrecken und in Schranken zu halten.«
    Trotzdem blieb ausgerechnet Seume, der in seinem Habitus gern Saft und Kraft und Lebenstüchtigkeit gegen wägende Gelehrtenvernunft ausspielte, in seiner Haltung zur Revolution wie nahezu alle deutschen Publizisten aufseiten ebendieser Vernunft. Das ist in geistiger und moralischer Hinsicht ehrenwert, reicht aber nicht, um etwas geschichtlich derart Unerhörtes wie die Französische Massenrevolution, den Sturz der Monarchie und die Hinrichtung des Monarchen mit den durch ebendiese Vorgänge neu aufgestellten historischen Maßstäben zu begreifen. Vielleicht konnte nur ein in die Ereignisse verstrickter und in dieser Verstrickung zugrunde gehender Jakobiner wie Georg Forster die Revolution bejahen ganz unabhängig davon, ob immer alles vernünftig zuging. »Die bewegende Kraft«, schrieb er in Parisische Umrisse , die – man muss es hervorheben – »bewegende Kraft ist allerdings nichts rein Intellektuelles, nichts rein Vernünftiges; sie ist die rohe Kraft der Menge.« Diese Kraft wurde mit der Revolution zur historischen Tatsache. »Eure Weisen und Gelehrten«, erklärt Forster aus Paris seinem fiktiven Leser östlich des Rheins, »haben gut deklamieren, sich ereifern und uns beweisen, dass wir es hätten besser machen sollen. Ei, Ihr lieben Herren! Wir konnten’s eben nicht besser. Nun dann hätten wir’s nicht anfangen sollen. Freilich wohl! Aber auch das hat nicht von uns abgehangen.«
    Seume hat die Revolution in Frankreich nicht bejaht, aber er hat die Französische Revolution in Deutschland verteidigt, nicht, was ihren politischen Verlauf, aber was ihre politischen Prinzipien betraf. Im Juni 1798 schrieb er an Gleim:
»Die Franzosen haben sehr gute Grundsätze; die Ausführung ist meistens schlecht und die Anwendung oft das Gegenteil. Indessen hat doch ihre Wahrheit schon so viel tiefe Wurzel, dass sie schwerlich werden ausgerottet werden. Sie beruhen auf Vernunft; und nur gänzliche Anarchie könnte sie wieder tilgen.«
    Im Juli 1799 an

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