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Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Titel: Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Preisendörfer
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nehmen, aber auch persönlich. Schließlich sind die Verse 1796, in der Zeit seiner unglücklichen Liebe zu Wihelmine Röder, entstanden. Im Oktober dieses Jahres versichert er Garlieb Merkel, wie leid es ihm tue, seinen neu gewonnenen Freund in die »Erbsünde der Hypochondrie geworfen« zu sehen, und im Mai 1797 schreibt er:
»Ich rate Ihnen, Freund, sich die Hexe Hip vom Halse zu schaffen.«
Das ist Freundeserziehung und zugleich Selbstermahnung. Hing doch auch Seume der Hexe ein Leben lang am Gängelband: Zehn Jahre vor dem Schwermutsgedicht ließ er »Bruder« Korbinsky wissen:
»… ich habe Epochen, wo meine Seele finstrer ist als Shakespeares schwarzestes Trauerspiel.«
1794 betastet er in poetischer Prosa Einen an der Düna bei Riga gefundenen Totenkopf, als befände er sich in der Friedhofsszene des Hamlet . 1796 rückt er das Gedicht Mein Geburtstag in die Obolen , seinen ersten Lyrikband.
»Vater, hilf die Stunden mir gewinnen,
Bis der Urne letzte Tropfen rinnen;
Dass ich dann in meines Lebens Buche
Nicht vergebens meine Werke suche.«
Im Dezember 1797 reimt er Schnorr von Carolsfeld brieflich die Bitte zurecht:
»Sodann noch eins. Es ist uns fast
Das Leben ohne Ton zur Last:
Drum schafft uns doch in unsern Nöten
Nur eine von den alten Flöten,
Damit, wenn uns die Grillen hudeln,
Wir doch ein Stückchen können nudeln.«
Im Januar 1803 bedauert er, dass er einen Brief Böttigers immer noch nicht beantwortet hat:
»… ich habe nicht einmal eine andere Entschuldigung als meine Faulheit und die Dame Hyp.«
Und das Eingangsgedicht von Mein Sommer 1805 klagt:
»Mir wird’s so dunkel und so abgestorben,
Und menschenleer,
Bin ich es, oder ist die Welt verdorben
Rund um mich her?«
    Seumes Mutter starb am 13. Dezember 1807, und Seume hat sie wirklich nicht lange überlebt, obwohl er den angedeuteten Selbstmordgedanken widerstanden hat.
»Zwei Mal war ich nahe an dem Entschlusse, mich dem Tode zu geben«, heißt es in den Apokryphen , »beide Male für ein Weib oder aus Wahnsinn für sie. Das erste Mal hing die Ausführung von einem kleinen bedingten Umstande ab, der nicht eintrat; das zweite Mal überwog der Gedanke an meine Mutter.«
    Aber wenn schon nicht aus dem Leben scheiden, dann wenigstens von Leipzig. So war es wegen Wilhelmine bei der Reise nach Süden, und so war es wegen Johanna bei der Reise nach Norden.
    Wilhelmine Röder hatte Seume durch seinen Freund Schnorr von Carolsfeld kennengelernt, der die 19-jährige Kaufmannstochter im Zeichnen unterrichtete. Von Schnorr, der auch ein Aquarell von Seumes Mutter angefertigt hatte, stammte jenes Medaillonbildchen, das sich Seume auf dem Monte Pellegrino vom Halse schaffte. Gerade noch hatte er in einer Kapelle eine freie Stelle auf der heiligen Rosalie gesucht, um wie andere touristische Schmierfinken seinen Namen zu hinterlassen. Die Heilige war schon über und über beschriftet, nur auf der Nasenspitze, ausgerechnet, war noch ein Plätzchen frei, wenn wir Leser das sentimentale Anekdötchen glauben wollen, und dort hatte der Wanderer seinen Seume dem »Rosenmädchen« appliziert. Beim Rückweg stolpert er, stürzt und holt sich eine blutige Nase. Eine Rache der Rosalie, fragt der naseweise Wanderer und fasst sich mit kapriziöser Selbstironie ein Herz, um es vor dem Leser auszuschütten:
Dieses »war mir wohl ehedem etwas enge gewesen; jetzt war ihm längst wieder leicht. Ich hatte aus Gewohnheit noch ein kleines, niedliches Madonnenbildchen [mit Rödergesicht] an einer seidenen Schnur am Halse hangen […] Das Orginal hatte mich königlich betrogen. Jetzt nahm ich es [nicht das Original, das Bildchen] unwillkürlich von der linken Seite [die – angebliche – Herzseite], nach welcher sich das Idolchen immer neigte; schloss unwillkürlich das Glas auf, nahm das elfenbeinerne Täfelchen heraus und erschrak, als ich es heftig unwillkürlich in zehn Stücke zersplittert zwischen den Daumen hielt. […] Ich hielt die Trümmerchen in der Hand; Freund Schnorr mag verzeihen: er hatte mit Liebe an dem Bildchen gepinselt. Einige Minuten hielt mich Phantasus noch mit Wehmut am Original; ich […] sah es im Geist an der Spree im goldenen Wagen rollen. Rolle zu; und so flogen die Stücke mit der goldenen Einfassung den Abgrund hinunter. Ehemals wäre ich dem Bildchen nachgesprungen; noch jetzt dem Original.«
    Wilhelmine Röder lebte gut verheiratet in Berlin, daher der goldene Wagen an der Spree. Der Sarkasmus im Märchenton entringt sich einem, der auf

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