Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition)

Titel: Der waghalsige Reisende: Johann Gottfried Seume und das ungeschützte Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Preisendörfer
Vom Netzwerk:
ist selten etwas anders als Handlanger der Despotie gewesen.«
– Mein Sommer 1805 –

Wenige Tage nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges geboren und deshalb vom Vater mit dem Namen Gottfried geschmückt, lebte Seume in kriegerischer Zeit. Sie war global durch die merkantile und militärische Konkurrenz zwischen England und Frankreich geprägt und lokal, in Mitteleuropa, durch den deutschen Konflikt zwischen dem Emporkömmling Preußen und dem saturierten Reich des Hauses Habsburg. Mit Napoleons Aufstieg und seiner nationalen Mobilisierung der Massen zu Eroberungsfeldzügen begann eine neue Epoche der Kriegführung.
    Seume hatte an allen Fronten zu tun, aber an keiner zu kämpfen. In Neuschottland waren die Kriegshandlungen vorüber, als er mit anderem menschlichen Nachschubmaterial dort angeliefert wurde. Den preußischen Zwangsdienst leistete er in der Garnison. In russischem Dienst überlebte er eine Revolte, knapp und mit viel Glück, aber ohne töten zu müssen und trotz seiner Gefangenschaft ohne verletzt zu werden. Den Aufstieg Napoleons beklagte er, konnte ihn aber publizistisch kaum und militärisch gar nicht bekämpfen,
    Noch im Januar 1810, wenige Monate vor seinem Tod, bezeichnete Seume sich in einem Brief an Wieland als »militärisch literärisches Amphibion«. Dazu bemerken Göschen und Clodius in der Fortsetzung von Mein Leben : »Man kann nicht mit Gewissheit entscheiden, ob die Natur Seumen mehr Anlage zum Militärstande oder für die Wissenschaften gegeben habe.« Dennoch treffen die beiden eine Entscheidung, wenn auch ohne Gewissheit: Weil Seume zur militärischen Mathematik kein Talent gehabt habe, sei er eher ein Mann der Philosophie und Philologie. So wurde der soldatische Nichtkämpfer posthum des militärischen Feldes verwiesen – zur Feder.
    Kampflos in der Neuen Welt
    Der Kampf um die Neue Welt wurde zwischen England und Frankreich geführt und zog sich Jahrzehnte hin. Aus globaler Perspektive war sogar der Siebenjährige Krieg von 1756 bis 1763, der mit dem Aufstieg Preußens zur mitteleuropäischen Großmacht endete, eine Nebenhandlung – wenn auch keine unwichtige. »Kanada wird in Schlesien gewonnen«, soll der englische Premier William Pitt gesagt haben, als es um die Subsidien ging, die Pitt im Parlament für Friedrich erwirkte. Der preußische König sollte mit dem Raub Schlesiens die Franzosen auf dem Kontinent beschäftigen und dort militärische Kräfte binden, die ihnen dann in Übersee fehlten.
    Diese Konstellation, die im preußisch-deutschen Geschichtsprovinzialismus mit ihrer friderizianischen Fixierung bis heute gern ausgeblendet wird, hatten damals alle Gebildeten klar vor Augen, auch der König selbst. In der Rechtfertigung meines politischen Verhaltens vom Juli 1757 schrieb Friedrich während einer für Preußen äußerst kritischen Phase des Krieges: »Jedermann weiß, dass die Wirren, die Europa aufwühlen, ihren Anfang in Amerika genommen haben, dass der zwischen Engländern und Franzosen ausgebrochene Streit um den Stockfischfang und um einige unbebaute Gebiete in Kanada den Anstoß zu dem blutigen Kriege gegeben hat, der unseren Erdteil in Trauer versetzt.«
    Obwohl der verächtliche Hinweis auf Fischfang und Handelsinteressen die Tatsache überspielen soll, dass die Schlesischen Kriege nicht zwangsläufig aus der Weltlage entstanden, sondern durch Friedrichs Willkür veranlasst worden sind, bleibt der Hinweis auf die Gesamtkonstellation doch richtig. Und so blieben, als England seine Ziele erreicht hatte und Pitt 1761 stürzte, auch die britischen Subsidien für die preußische Kriegsführung aus.
    Die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung führte schließlich dazu, dass die Arrangements, die England mit Frankreich in Kanada getroffen hatte, die dreizehn Kolonien auf den Plan rief, denen es nicht bloß um Tee und Steuern in den eigenen Häfen, sondern auch um die Expansion über ihre bisherigen Grenzen ging. Das Ausklingen der Kampfhandlungen in der letzten Phase des Unabhängigkeitskrieges 1782 – der eigentliche Friedensvertrag wurde am 3. September 1783 in Paris unterzeichnet – bewirkte, dass die 1782 vom europäischen Festland nach Halifax verschifften Söldner zurückverfrachtet wurden, ohne gekämpft zu haben. Seume, einer von ihnen, hat viele Jahre später in der Vorrede zu seiner Übersetzung von Robert Percivals Beschreibung des Vorgebirges der Guten Hoffnung den Kettenschluss der britischen Übersee-Interessen drastisch vorgeführt:
»Unser

Weitere Kostenlose Bücher