Der wahnsinnige Xandor
sagte Fahrna abfällig.
»Jeder hat seine Fehler, Fahrna«, tröstete sie Sadagar scheinheilig; an Mythor gewandt, fügte er hinzu: »Es ist Fahrnas großer Traum, eines Tages die Runenbotschaft der Königstrolle zu übersetzen. Davon ist sie besessen.«
»Und du, Sadagar?« fragte Mythor. »Warum lässt du dich eigentlich Steinmann nennen?«
»So heißt mein Volk«, sagte Sadagar stolz.
»Von dem aber noch kein Mensch je gehört hat«, warf Fahrna mit spitzer Zunge ein.
»Daran erkennt man, dass du nicht so wissend bist, wie du tust.« Sadagar fuhr fort: »Ich habe keinen so großen Ehrgeiz wie Fahrna. Ich bin nur ein bescheidener Wahrsager, der Blicke in die Zukunft tun kann. Wenn ich wollte, wie ich könnte, dann wäre ich in der Lage, die Geschicke der Welt zu beeinflussen. Ich könnte mit meiner Gabe Königen zu Macht und Ruhm verhelfen und sie zu Herrschern über die Welt machen. Ich wüsste, welche Schlacht zu gewinnen und welche zu vermeiden wäre. Ich könnte Goldadern finden und die Geheimnisse der Götter aufspüren. Aber ich begnüge mich damit, den kleinen Leuten den Weg ins Glück zu weisen.«
»Warum erzählst du nicht, wie du den kleinen Leuten in Büttelborn geholfen hast?« sagte Fahrna. »Eine beliebige Episode aus deinem Leben würde genügen, um deinen Zuhörern die Augen über dich zu öffnen. Gib doch zum besten, wie du Oblatko, dem Herbergswirt, geholfen hast, Sadagar.«
»Vielleicht ein andermal«, lenkte Sadagar ab und kam sofort auf etwas anderes zu sprechen. Er schlug Mythor vor: »Wenn dir etwas daran liegt, zu erfahren, was dir die kommenden Tage bringen, könnte ich dir die Zukunft weissagen.«
»Wäre dir das möglich?« fragte Mythor mit gespielter Neugierde, ohne sich seine Heiterkeit anmerken zu lassen. »Dann könntest du mir vielleicht sagen, ob ich je Xanadas Lichtburg finden werde und was mich dort erwartet.«
»Was?« rief Sadagar verwundert aus und wechselte einen eigenartigen Blick mit Fahrna. Diese fragte fast feindselig: »Wie kommst du gerade auf Xanadas Lichtburg?«
»Ist das etwa ein Tabu?« fragte Mythor zurück. »Und versagen deshalb deine Fähigkeiten, Sadagar?«
»Keineswegs«, behauptete der angebliche Wahrsager schnell. »Ich kann sogar noch weiter in deine Zukunft blicken und dir sagen, wie dein holdes Weib heißen und welcher Kindersegen dir beschert sein wird. Darauf verstehe ich mich besonders.«
»Ich weiß, davon singen schon die Barden«, sagte Mythor trocken.
»Wie soll ich das denn verstehen?«
Mythor hielt mit seinem Wissen nicht länger hinter dem Berg und erzählte, wie Lamir sein Wirken in der Herberge »Zum Licht« besungen hatte. Nottr grölte vor Lachen, und Fahrna fiel kreischend darin ein.
»Das kann schon mal passieren«, sagte Sadagar kleinlaut. »Zu dieser Panne kam es nur, weil der Kleine Nadomir mich im Stich gelassen hat. Aber sonst irre ich mich nie! Ich sehe, ohne dass ich mich groß anstrenge, dass jemand, der du sein könntest, Mythor, in Xanadas Lichtburg Hinweise auf die Runenbotschaft der Königstrolle zu finden hofft.«
»Halt dein loses Maul!« unterbrach ihn Fahrna. »Es kommt doch nur Unsinn heraus.«
»Diesmal irre ich mich bestimmt nicht«, beharrte Sadagar. »Habe ich recht, Mythor?«
»Ich will eigentlich aus einem anderen Grund zu Xanadas Lichtburg«, sagte Mythor, und nach kurzem Zögern nannte er den Grund: »Ich suche das Gläserne Schwert Alton.«
»Ach so?« Sadagar war verblüfft.
»Ich sagte ja, dass du schweigen sollst«, keifte Fahrna. »Du kannst sowenig die Zukunft deuten wie ich eine Wasserspinne reiten.«
»Weil Wasserspinne vor dir haben Angst«, meldete sich Nottr zu Wort, der dem bisherigen Gespräch verständnislos zugehört hatte.
»Ich dachte nur.« sagte Sadagar kleinlaut.
»Dachtest du es, weil ihr aus diesem Grund auch zur Lichtburg wollt?« vermutete Mythor. Als beide schwiegen, fügte Mythor hinzu: »Wenn wir dasselbe Ziel haben, dann könnten wir den Weg gemeinsam gehen. Ihr stellt mir euer Wissen zur Verfügung, und ich biete euch meinen Schutz an.«
»Warum eigentlich nicht?« meinte Sadagar nachdenklich und sah Fahrna fragend an, doch sie schwieg beharrlich. Sadagar sagte mit hämischem Grinsen: »Fahrna fürchtet nur, dass ihr jemand etwas streitig machen könnte.«
»Ach, blödes Geschwätz«, sagte die Runenkundige. »Meinetwegen, tun wir uns zusammen.«
»Und was ist mit dir, Nottr?« wandte sich Mythor an den Lorvaner. »Willst du dich uns nicht anschließen?
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