Der wahnsinnige Xandor
Nottr das hörte, schnaubte er vor Wut und drohte mit der Waffe. Sein Gegner hob die Messer abwehrend, sagte aber mit einem hilfesuchenden Blick zu Mythor: »Kannst du den Wilden nicht bändigen? Ihr kennt euch offenbar. Sag, dass er uns in Ruhe lassen soll, damit wir wieder unserer Wege gehen können.«
Mythor hob beschwichtigend die Hände und sagte: »Ich würde vorschlagen, dass ihr erst einmal die Waffen wegsteckt. Dann können wir uns in Ruhe unterhalten und uns vielleicht einigen.«
»Worüber einigen?« wunderte sich der Alte, schob aber die Messer langsam in den Gürtel zurück, als er sah, dass Nottr sein Krummschwert ebenfalls verstaute.
»Es würde auf der Welt viel weniger Blut fließen, wenn die Menschen ihre Händel mit Worten anstatt mit Waffen austrügen«, sagte die Runenkundige Fahrna belehrend und lächelte Mythor von unten herauf an.
Dann wandte sie sich ihrem Begleiter zu und keifte: »Los, Sadagar, lass gefälligst die Finger von deinem Spielzeug und sei froh, dass der Lorvaner dir nicht den Hals umgedreht hat.«
In der Sprache der Barbaren sagte sie zu dem verblüfften Nottr: »Net murkn tun aff erer frönt chutr.«
Auf gorganisch fügte sie spöttisch hinzu: »Du siehst, ich beherrsche auch dein Gebelle. Es gibt überhaupt keinen Dialekt dieser Welt, den ich nicht verstehe.«
»Chekse!« sagte Nottr voll Überzeugung, und das verstand sogar Mythor.
*
Steinmann Sadagar und die Runenkundige Fahrna unterhielten sich flüsternd miteinander und rückten dann mit ihren Vorräten heraus, so dass sie eine karge Mahlzeit zu sich nehmen konnten.
Nottr erzählte Mythor, wie es ihm gelungen war, den Ugaliern zu entkommen. Er hatte seinen verbliebenen Kriegern befohlen, in verschiedenen Richtungen davonzureiten, damit auch die Verfolger gezwungen wurden, ihre Streitmacht zu zersplittern. Zwei Verfolger waren Nottr auf den Fersen geblieben. Mit diesen war er mühelos fertig geworden. Doch bei diesem Kampf war er von Nardor abgeworfen worden. Er hatte sein Reittier daraufhin aufgeben müssen, als weitere Ugalier erneut auf seine Fährte stießen. Er stellte sich an einer Schlucht mit einem reißenden Strom der Übermacht zum Kampf, wurde dabei jedoch so abgedrängt, dass er in die Tiefe stürzte. Der Strom riss ihn mit sich und entließ ihn erst im Meer, und hier war er nun.
Hungrig und abgekämpft, wie er war, traf er auf die beiden Alten. Er versicherte, dass es unter seiner Würde gewesen wäre, ihnen auch nur ein Härchen zu krümmen. Aber es war einem Lorvaner nicht gegeben, um irgend etwas zu bitten; er nahm es sich einfach. Steinmann Sadagar hatte jedoch Widerstand geleistet, und so war es zu diesem beschämenden Zweikampf gekommen.
»Ich nicht stolz«, sagte Nottr verlegen. »Das nicht Tat von Held.«
»Ihr Lorvaner seid mir überhaupt Helden!« rief Fahrna lachend. »Ich erinnere mich einer Begebenheit, die noch nicht lange zurückliegt. Damals habe ich allein eine ganze Horde von euch in die Flucht geschlagen.«
»Lüge!« rief Nottr erbost. »Ich dir Fleisch verhauen, auf das du sitzt!«
»Es ist wahr, Nottr, ehrlich«, behauptete Fahrna, und dann erzählte sie, wie Sadagar in finsterer Nacht in der verfallenen Mühle von einem Trupp Barbaren überrascht worden war und sie mit Hilfe der ringsum stehenden hohlen Baumstümpfe geisterhafte Geräusche verursachte, die die Lorvaner dermaßen verwirrten und einschüchterten, dass sie sich gegenseitig bekämpften.
»Das sein ihr?« sagte Nottr kopfschüttelnd. »Ich nicht mit war. Dann aber nächste Tag mit meine Krieger zu Hütte und niederreißen und anzünden mit Feuerstein und Geister austreiben.«
»Da waren wir längst wieder fort«, sagte Fahrna lachend. »Wir zwei, Sadagar und ich, sehen zwar unscheinbar aus, aber wir haben Köpfchen.«
»Du scheinst mir überaus wissend zu sein, Fahrna«, sagte Mythor.
»Es gibt nur wenige Gelehrte, die mich nicht um mein Wissen beneiden würden«, behauptete Fahrna. »Hast du schon einmal etwas über das EMPIR NILLUMEN gehört? Das ist eines der größten Zauberbücher, wenn nicht das bedeutendste überhaupt. Es ist in Runenschrift verfasst, aber ich habe es ins Gorgan übersetzt. Stimmt es nicht, Sadagar?«
»Es ist wahr«, bestätigte Sadagar, fügte jedoch hinzu: »Ich weiß aber vom Hörensagen, dass Fahrna dabei eine Menge Fehler unterlaufen sind und dass so mancher Magier, der sich an ihre Übersetzung hielt, ein schreckliches Schicksal erlitt.«
»Aus dir spricht nur der Neid«,
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