Der wahnsinnige Xandor
einem einzelnen Reiter zu tun, sondern immer mit mehreren gleichzeitig.
Und da setzten sich die ersten beiden Reiter aus entgegengesetzten Richtungen in Bewegung. Als der Fremde sah, dass er von zwei Seiten angegriffen wurde, versuchte er, den freien Raum zwischen ihnen auszunutzen. Doch ließen sie ihm keinen Spielraum. Sie trieben ihn zwischen sich in die Enge, und dann sausten ihre Schwerter auf ihn nieder. Die Klingen kreuzten sich fast, als sie knapp vor und neben dem Opfer die Luft durchschnitten.
Bevor der Fremdling Luft holen konnte, waren schon die nächsten beiden Reiter heran. Diesmal standen eine Lanze und ein Dolch gegen ihn. Doch als diese Waffen ihm bereits bedrohlich nahe waren, brach er unvermittelt mit einem Sprung zur Seite aus. Nottr glaubte schon, dass er von den Hufen der Pferde zertrampelt würde. Doch hatte er seinen Sprung so gut berechnet, dass er unversehrt wieder auf die Beine kam und sogar gewappnet war, als die nächsten beiden Reiter auf ihn zukamen.
Einer der beiden Angreifer war Nonu. Ihre Stärke war die Peitsche.
Sie schwang sie knallend über dem Kopf, wartete, bis ihr der andere Reiter das Opfer zutrieb, und ließ den Riemen dann auf dieses zuschnellen.
Nonu traf den Fremden um die Leibesmitte und wollte ihn im Vorbeireiten mitschleifen. Aber der Fremde stand wie ein Fels. Durch Nonus Körper ging ein Ruck, und der Fremde zog sie an ihrer Peitsche aus dem Sattel.
Nottr hielt den Atem an. Er hatte noch keinen Stammesfremden so kämpfen sehen! Und selbst dieser Kraftakt schien den Fremden nicht geschwächt zu haben. Er holte Nonu an ihrer Peitsche ein, die sie festhielt, als hänge daran ihr Leben. Als er sie zu sich gezogen hatte, schlang er ihr den Riemen um den Hals und hob sie als lebenden Schild vor sich.
In diesem Augenblick war der nächste Fanchn-Reiter heran. Er konnte den vollzogenen Schwertstreich nicht mehr stoppen und fügte Nonu eine Schnittwunde zu.
Jetzt hatte Nonu ihre erste Narbe! Die Reiter brüllten auf. Aus ihren Schreien klang eine gewisse Bewunderung für ihr Opfer, aber auch Zorn darüber, dass sie von einem Entwaffneten so genarrt wurden. Das vertrug ihr Stolz nicht, und Nottr wusste, dass seine Leute nun Schluss machen würden. Sie zogen sich zurück, um Aufstellung für die letzte Runde zu nehmen.
Der Fremde hielt die wild um sich schlagende Nonu noch immer in der Peitschenschlinge fest.
Nottr konnte die kurze Atempause dazu nützen, den Fremdling eingehender zu betrachten. Er ritt in den Kreis ein, und Iki machte ihm sofort Platz.
»Tu tust tott hib?« fragte sie. Aber Nottr schüttelte den Kopf. Er war nicht gekommen, um den tödlichen Hieb gegen den Fremdling zu führen. Er wollte ihn sich nur genau ansehen und sich das Gesicht eines Mannes merken, der mit bloßen Händen einen wahrhaft heldenhaften Kampf gegen eine übermächtige Horde geliefert hatte.
Der Fremde war groß und schlank und mehr sehnig als muskulös, obwohl er vor innerlicher Kraft zu strotzen schien. Sein Gesicht wirkte entschlossen, die Lippen über dem kraftvollen, energischen Kinn waren voll. Am auffälligsten war die Hautfarbe des Fremden, die dunkler als die der Bewohner dieses Landes war. Und zudem hatte er helle Augen. Die blickten Nottr nun geradewegs an.
Da traf den Anführer der Lorvaner so etwas wie eine Erkenntnis. Das war nicht das Gesicht eines unbekannten Helden. Es war für ihn ein seltsam vertrautes Antlitz, das ihm ein Geheimnis offenbarte.
»Da murkn, Nottr!« rief Iki ungeduldig.
Nottr winkte ab. Überwältigt verließ er den Fanchn-Kreis und näherte sich dem Fremdling.
»Tott hib!« verlangten Nottrs Krieger. Sie wollten endlich Blut sehen und damit die Schande von ihrer Kriegerehre waschen. Aber Nottr sagte entschlossen: »Net tott hib! Da mutt un tapfr. Chutr erer. Chrottr erer.«
Die Krieger äußerten ihren Unmut über Nottrs unverständliches Verhalten. Nottr hätte es ihnen nicht erklären können, was ihn veranlasste, dem Fremden das Leben zu schenken. Der Mut und die Tapferkeit des Fremden, die er gegenüber seinen Kriegern pries, wären keine ausreichende Veranlassung für seinen Gnadenakt gewesen.
Die Wahrheit war, dass sich Nottr bei der Betrachtung des Fremden seltsam berührt fühlte.
Als er Nardor vor ihm anhielt, griff er unter den Sattel und holte das Pergament hervor, in das die gepökelte Schwarte eingewickelt war. Er entrollte das Pergament und steckte die Schwarte weg. Dann blickte er lange auf das Bildnis, das auf dem
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