Der wahre Hannibal Lecter
leicht war das Geld verdient gewesen, als dass er damit aufhören könnte. So sieht man ihn schon nach kurzer Zeit erneut in den Bahnhofspissoirs herumlungern.
Es dauert nur wenige Stunden, und er hat wieder Geld in der Tasche. Aber es hat sich auch ein neuer Gast in seinem Gehirn eingenistet, den er nicht mehr loswerden soll. Die eine Injektion hat ihre Wirkung nicht verfehlt, was auch sein guter Freund Glenn mit Wohlwollen feststellt.
Robert hat ihn den ganzen Tag nicht gesehen. Nun – am Abend, als Robert erneut zu Geld gekommen ist – ist er wieder zur Stelle. Glenn muss nicht viel sagen. Seine Erfahrung hat sich wieder einmal bestätigt. Robert hat nur einen Wunsch:
»Ich möchte wieder cool sein.«
Über Wochen dasselbe Spiel. Nur Roberts Einnahmen werden immer weniger. Längst haben ihn die Freier ausgemustert. Auch Glenn besucht ihn nur noch selten. Roberts Umsätze sind zu gering für ihn geworden.
Robert zieht in eine neue Stadt
Robert ist wieder völlig auf sich allein gestellt. Er beschließt, in eine andere Stadt zu ziehen. Doch diesmal will er es cleverer anstellen und genug Geld verdienen, um gut davon leben zu können. Unruhig und nervös steht er am Fahrkartenschalter und löst ein Ticket in die nächstgelegene Stadt.
Der Zug ist kaum angefahren, da wird Robert plötzlich speiübel, und er bekommt Schüttelfrost. Er darf jetzt nicht die Kontrolle über sich verlieren. Er bemüht sich, seine immer zittriger werdenden Hände ruhig zu halten.
Der Bummelzug, der die Städte verbindet, ist um diese Zeit überfüllt. Verzweifelt versucht Robert, einen Platz zu ergattern.
Er weiß, er muss sich setzen, um Ruhe zu finden und seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er zittert am ganzen Leib, und seine Hände gehorchen ihm nicht mehr.
Endlich entdeckt er in einem Abteil einen freien Platz und setzt sich. Erschreckt und verängstigt stehen die anderen Fahrgäste auf und verlassen das Abteil.
Doch Robert bemerkt von alldem nichts. Er ist viel zu beschäftigt mit sich selbst. Die Zuschauer, die ihn vom Gang aus beobachten, nimmt er nicht wahr.
Der Zug verlangsamt das Tempo. Eine freundliche Stimme kündigt die nächste Haltestelle an. Wie in Trance steht Robert von seinem Platz auf und sucht einen Weg zum Ausgang.
Auch in der neuen Stadt treibt er sich schon bald in den öffentlichen Toiletten und Parks herum. Doch er hat nun keinen Glenn mehr, der ihn managt und die Preise bestimmt.
Die Homosexuellen nutzen das aus und fertigen ihn nach getaner Arbeit mit nur ein paar Pfund ab.
Er ist unzufrieden mit seiner Entlohnung, und schon bald rächt er sich an diesen »schwulen Parasiten, diesem Abschaum der Menschheit«, wie er später einmal sagt. Er beginnt sie zu bedrohen, und sie bekommen Angst Nun kassiert er ab.
Manchmal ist es die ganze Barschaft dieser Männer, die in seiner Hosentasche verschwindet. Doch solche Machen-schaften sprechen sich in diesen Kreisen schnell herum, und so bleibt Robert nur die ständige Flucht in andere Städte.
Er sieht seine Chance nun gekommen und ist auf der Suche nach noch wohlhabenderen Männern, die er auf der Isle of Man, der Steueroase der reichen Geschäftsleute, zu finden hofft. Doch die Insel ist klein und seine Angst vor der Polizei groß. Mittlerweile ist er sogar bereit, den Männern zu geben, wozu ihn sein Vater schon als Kind benutzte.
Immer größer wird der Abscheu, den Robert diesen Männern gegenüber empfindet. Es ekelt ihn geradezu an, wozu er sich hergibt, doch er braucht das Geld dringend.
»Ich nahm sehr harte Drogen in dieser Zeit, sonst hätte ich dieses Leben nicht ertragen können. Die Drogen halfen mir, das alles vergessen zu können«, erinnert er sich später im Prozess.
Immer enger zieht sich der Kreis des Unausweichlichen.
Immer größer wird sein Verlangen nach Drogen. Die Venen der Arme und Beine sind zerstochen, und sein Körper verfällt zusehends. In diesem Zustand wollen langsam auch die Freier nichts mehr von ihm wissen. Sie bekommen Angst vor ansteckenden Krankheiten und ekeln sich vor seinen unzähligen eitrigen Ausschlägen.
So zieht es ihn wieder in sein heiß geliebtes London. Diese Millionenstadt hat es ihm angetan. Hier lässt es sich unauffälliger leben als in den kleinen Provinzstädtchen. Man wird weniger von der Polizei behelligt. Hier pulsiert das Leben, und es ist leichter, an billigen Stoff zu kommen. Guten und reinen Stoff kann er sich schon längst nicht mehr leisten.
So vergehen weitere
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