Der wahre Hannibal Lecter
Zeit, er kann es gar nicht fassen, dass ihm niemand zuhört. »Ganz England sucht mich«, sagt er schließlich, lauter werdend. »Und jetzt, wo ich mich stellen will, hört mir keiner zu.«
»Ja ja, ganz England sucht dich, wegen einer zerbrochenen Fensterscheibe wahrscheinlich. Kostenlos schlafen und essen willst du, sonst gar nichts.« Der Polizist wird allmählich ärgerlich und überlegt, wie er diesen Hünen aus dem Revier befördern kann.
Hinter vorgehaltener Hand fragt ihn sein Kollege auf der anderen Seite des Schreibtisches: »Du, sag mal, wird nicht gerade ein junger Penner gesucht? Du weißt schon, aus der Homoszene?!«
»Der doch nicht, schau ihn dir doch an. Den will doch kein Schwuler…«
Doch der Beamte ist jetzt hellwach. Er steht auf und geht auf Maudsley zu. Betrachtet ihn von oben bis unten. Dann fragt er:
»Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Robert John Maudsley.« Noch immer können die Beamten nichts mit diesem Namen anfangen, aber seine wiederholte Aussage, dass in ganz Großbritannien nach ihm gesucht werde, macht sie misstrauisch.
»Ich will nur eines, wieder einmal richtig schlafen, und etwas zu essen«, sagt Robert.
»Na, das wollt ihr wohl alle. Ich habe es doch gleich gewusst, dass du nur nach einem kostenlosen Dach über dem Kopf suchst«, sieht der Beamte vor ihm sich in seiner Ahnung bestätigt, bequemt sich aber dennoch, die Angelegenheit etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
»Nein, ich will ein Geständnis ablegen«, beteuert Robert.
»Na, nun sag schon, hast du die Glasscheibe eines Ladens eingeworfen? Das gesteht ihr doch alle, um wieder einmal in den Genuss der Staatspension zu kommen«, bekommt er erneut die Ignoranz des Beamten zu spüren.
»Nein, ich will nur wieder in Ruhe schlafen können. Ich kann dieses Gesicht in meinen Träumen nicht mehr ertragen.
Lasst mich diese schwule Sau vergessen, sonst krepiere ich daran.«
»Von welchem homosexuellen Herrn sprechen Sie denn?«, fragt der Beamte, vorsichtig geworden, mit leiser Ironie. Es ist, als sei das Codewort gefallen. Alle Beamten versammeln sich um Robert.
»Na, der von dem öffentlichen Pissoir, Sie wissen schon!«
Der Satz schlägt in dem Polizeirevier wie eine Bombe ein.
Verstohlen holt ein Polizist die Handschellen aus seiner Schreibtischschublade und schiebt sich damit vorsichtig an Robert John Maudsley heran.
»Sind Sie der Mann, der den Homosexuellen in dem Holzschuppen ermordet hat?«, fragt der Beamte geradeheraus.
»Ja, das bin ich, und dazu stehe ich auch, denn …« Weiter kommt er nicht, denn jetzt bricht auf der Wache die Hölle los.
Überall hektische, laute Stimmen, Beamte, die zu ihren Telefonen rennen, und mittendrin ein Paar Handschellen.
Bereitwillig streckt Robert die Hände nach vorn. Er hört das Klicken des Metalls. Der Riese sitzt in der Falle. Doch das stört ihn nicht, er wollte es so. Die Beamten verstehen sein Verhalten nicht Sie stecken ihn in die nächste leer stehende Zelle. Doch Robert freut sich über die Wärme in dem Raum, über die Pritsche, auf die er seine Sachen legen kann. Dann wartet er geduldig, was da auf ihn zukommt. Doch stundenlang bleibt er allein. Also beschließt er, sich sein Nachtlager zurechtzumachen. Die mitgebrachten Plastiktüten räumt er sorgsam in eine Ecke. Er genießt den Anblick frischer Bettwäsche, streckt sich wohlig unter der Wolldecke aus. Er glaubt, im siebten Himmel zu sein. Nicht einmal die Deckenbeleuchtung stört ihn, und auch nicht die Scheinwerfer, die auf der Gefängnismauer im Hintergrund monoton ihre Kreise ziehen und dabei von Zeit zu Zeit die Zelle erleuchten.
Nur Sekunden nachdem er sich ins Bett gelegt hat, ist er bereits eingeschlafen.
Die Sensation spricht sich herum
Derweil laufen die Telefone in allen Polizeistationen des Landes heiß. Auch Scotland Yard ist inzwischen eingeschaltet Man kann nicht glauben, was für ein großer Fisch der Polizei freiwillig ins Netz gegangen ist. Hohe Beamte der obersten Polizeibehörden glauben an einen Scherz und nehmen die Aussagen der Revierbeamten zuerst gar nicht ernst. Doch der Vorname und die Tatsache, dass es sich um einen Obdachlosen handelt macht sie dann doch stutzig. Als sie dann auch noch von der Körpergröße des Verhafteten erfahren und die Zeugen-aussagen daraufhin überprüfen, verändert sich ihr Verhalten mit einem Schlag komplett.
Erst jetzt wird die eigens für diesen Fall gegründete Sonderkommission verständigt. Der Leiter des Dezernats ist völlig außer
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