Der wahre Hannibal Lecter
öffentliche Bedürfnisanstalt befindet sich im Fadenkreuz der Ermittler, selbst seit Jahren offiziell geschlossene Männertoiletten. Die Polizei weiß, dass diese Türen jede Nacht aufs Neue geöffnet werden.
An einem Freitagabend ruft der Leiter der Kommission eine geheime Besprechung ein. Keine Information über die geplante Aktion soll nach draußen dringen. Auch unter den Ermittlern befinden sich Männer, die in den inkriminierten Kreisen verkehren. Man will jedes Risiko ausschalten.
Den Beamten werden noch einmal die grauenhaften Bilder vom Tatort gezeigt. Man will die Männer motivieren, alles zu tun, um den Mörder dingfest zu machen. Vielen der abkommandierten Polizisten gefällt ihr Auftrag jedoch nicht.
Sie haben Angst, bei der Ermittlungsarbeit an Personen zu geraten, die sich ihnen bei einer anstehenden Beförderung in den Weg stellen könnten. Längst hat es sich herumgesprochen, wer alles in den Liebeslauben anzutreffen ist. »Na, hoffentlich nicht mein Chef«, scherzt einer der Ermittler mit sarkastischem Unterton.
In einer bis dahin in dieser Größenordnung nie da gewesenen konzertierten Aktion werden am darauf folgenden Abend alle öffentlichen Männertoiletten der Millionenstadt London gleichzeitig überprüft. Alle Fahrzeuge mit Blaulicht und alle neutralen Kripowagen sind im Einsatz. Selbst Mannschafts-wagen werden davon nicht ausgenommen.
Das Resultat ist ein riesiges Chaos. Die angetroffenen Männer sind geschockt, keiner versteht, was dieser plötzliche Polizeiaufmarsch soll. Unglaubliche Szenen spielen sich an den Orten ab, an denen normalerweise alles sehr diskret verläuft.
Doch aller Aufruhr nützt nichts. Jede Anlage wird umstellt, es gibt kein Entkommen.
Aufregung in der Szene
Mit dem immer gleichen Spruch überprüfen die Beamten die Personalien: »Darf ich Ihren Ausweis sehen?«
Entsetzen breitet sich aus. Die Betroffenen empören sich darüber, dass sie nun schon bei der Verrichtung ihrer Notdurft bespitzelt würden. Viele Männer antworten deshalb: »Von mir?
Ich werde mich über Sie beschweren! Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?«
Doch die Polizisten sind nicht auf den Mund gefallen: »Das werde ich anhand Ihres Ausweises gleich sehen«, geben sie lapidar zurück.
Alle Namen der angetroffenen Männer, die man der Szene zuordnet, werden registriert. Die Beamten staunen nicht schlecht, welchen Berufsbezeichnungen und akademischen Titeln sie hier begegnen. Man befragt die verdutzten Männer, welche Stricher hier sonst noch verkehren würden. Doch allein schon die Erwähnung von Prostitution genügt, um die Befragten zurückschrecken zu lassen. So gut wie alle behaupten, von derlei Aktivitäten generell nichts zu wissen.
»Was für Leute suchen Sie? Stricher? Ich weiß nicht einmal, was diese Leute tun.« Sie seien alle nur zum Pinkeln hierher gekommen.
»Was glauben Sie, was meine Frau dazu sagt, wenn sie von dem hier erfährt? Sind Sie sich über die Konsequenzen im Klaren? Wissen Sie, was dies für mich bedeutet? Sie werden meinen Anwalt kennen lernen, dann werden Sie sich wünschen, mich nie nach meinem Ausweis gefragt zu haben.«
So und ähnlich reagieren vor allem die distinguierten Herren in Anzug und Krawatte.
Viele Männer sind jedoch auch kooperativ und stehen zu ihrer Veranlagung. Zwar negieren sie, jemals Stricher aufgesucht zu haben, sie bekennen sich jedoch dazu, homosexuell zu sein. Dieser Personenkreis könnte der Polizei weiterhelfen.
Jeder dieser Männer wurde schon einmal von einem Stricher bestohlen. Zwar nimmt man die Liebesdienste gerne in Anspruch. Doch alle haben auch negative Erfahrungen mit Prostituierten gemacht. Es gibt wohl keinen Freier, dem auf den Toiletten nicht schon mal das Portemonnaie geklaut worden wäre. Viele haben diese jungen Menschen manchmal sogar mit nach Hause genommen und es dann meist bitterlich bereut. In den noblen Wohnungen und Häusern angekommen, staunen die Stricher, wie gut ihre Freier es haben. Diese feinen Viertel, dieses stilvolle Mobiliar, das ist nicht ihre Welt. Ihr Zuhause ist meist die Straße. Wenn sie dann darüber nachdenken, mit welchem Hungerlohn sie abgespeist werden sollen, überfällt sie meist grenzenlose Wut. Noch immer sehen sie den demütigen Freier vor sich, der ihnen in einem Pissoir an die Wäsche will. Deren meist penibel aufgeräumtes, sauberes Zuhause verwirrt die jungen Prostituierten. So etwas kennen sie nicht von ihrem Elternhaus. Also beginnen sie ihren Freiern Gefühle, ja Liebe
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