Der wahre Sohn
Arkadij, und ein Lächeln trat auf sein Gesicht. «Dieser Busen. Und dann die mit warmer Butter begossene Pirogge, die sich in diesen Mund schob, weich und groß … Das war zu viel.»
«Olha hatte wohl keine Brüste?», fragte Konrad.
«Nur ganz kleine, flache», sagte Arkadij. «Sie wollte ja ein Junge sein.»
«Aber Ihr Vater, der war schon ein richtiger Mann?»
«Natürlich. Er ist nur mit der Zeit so starr geworden. Als Offizier hat er Haltung bewahrt. Aber innerlich. Ich hätte gar nicht sagen können, ob da drinnen überhaupt noch jemand war. Vielleicht ist er schon lange vor seinem Tod gestorben.»
Konrad schwieg eine Weile. «Womöglich ist er deshalb so alt geworden.»
«Glauben Sie?», sagte Arkadij. «Deshalb habe ich nichts gespürt, als er wirklich …»
Noch beim Abschied sah er Konrad erstaunt an.
«Manchmal beginne ich doch, an Sie zu glauben», sagte er. «Vielleicht können wir uns wirklich zusammentun.»
Konrad lächelte nicht einmal. Das war etwas zu viel Nähe für ihn. Er ging zu Prokoptschuk und ließ sich den Schlüssel für das Arbeitszimmer geben. Er wollte noch einmal gründlich nach Hinweisen auf diesen Mann suchen, dessen Namen jeder in Kiew kannte und von dem niemand etwas wusste.
Und er fand den Namen. In fast fiebriger Aufregung löste er die Seiten aus dem Hefter und überflog das Protokoll des Gesprächs.
«Ein Traum, Herr Professor, ich will Ihnen einen Traum erzählen!»
«Tun Sie das.»
«Also, dort saß eine Etagenfrau.»
«Wo – dort?»
«Auf einem langen Flur. In einem großen Haus mit vielen Gängen. Die Etagenfrau passte auf, dass man nicht in die falsche Richtung lief.»
«Was heißt das, in die falsche Richtung?»
«Man durfte nur nach links», erklärte Arkadij und zeigte nach rechts. «Dort war die Toilette.»
«Was Sie jetzt zeigen, ist rechts», korrigiert Guzman.
«Nein. Ach so? Dann meine ich rechts. Links war verboten. Dort wollte ich aber hin. Dort hatte Olena ihr Zimmer, und zu ihr wollte ich. Aber die Frau hatte ihren Stuhl mitten in den Flur geschoben und saß breitbeinig da. Ich war ganz klein und trug einen Schlafanzug. Pitsch-patsch machten meine nackten Fußsohlen auf dem Boden. Ich musste an ihr vorbei. Als ich näher kam, sah ich ihr Gesicht von der Seite. Sie hatte einen dunklen Flaum auf der Oberlippe und kaute Sonnenblumenkerne. Die Schalen kötelte sie in die Hand.»
«Köteln ist eher ein Wort für Ausscheidung.»
«Genau. So kam es mir vor. Sie war ein richtiges russisches Mütterchen, eine leibhaftige Matrjoschka, mit Kopftuch, das Gesicht verhärtet von den Schrecken der Geschichte, schwer und fruchtbar wie die Schwarzerde, auf der die Bauern seit Jahrhunderten ihr Gemüse züchten.»
«Wir haben heute unseren poetischen Tag», sagt Dr. Holota.
Da war der Name. Konrad musste sich zusammenreißen, um aufmerksam weiterzulesen.
Arkadij hebt die Hand. «Lassen Sie. Hartgesichtige Mütter von heldenhaften Soldaten waren das, die gefallen sich in patriotischen Klagen, wenn ihre Wankas, Aljoschkas und Grischkas im Feld geblieben sind.»
«Sie sollten sich nicht darüber lustig machen. Ihr Vater war auch im Krieg.»
«Ich weiß, er hat viele Soldaten getötet. Als ich an dem Mütterchen vorbeikam, trug ich etwas Wichtiges bei mir und fürchtete, sie würde mich kontrollieren. Tatsächlich beugte sie sich vor und streckte ihre Hand nach mir aus. ‹Warte›, sagte sie. Wie sie da vor mir saß, auf ihrem dicken Hintern! Sogar den musste sie festhalten. Der hatte es auch satt, sich von ihr kommandieren zu lassen. Dann passierte mir ein Malheur.»
Patient kichert, klemmt die Hände zwischen die Beine und rutscht auf dem Stuhl hin und her.
«Ich dachte, wenn ich nur rasch gehe, komme ich unbehelligt an ihr vorbei, nur leider, leider, Herr Professor, mein Fuß. Mein Fuß blieb an ihrem Stuhlbein hängen. Ich stolperte, fiel gegen den Stuhl, spürte seinen Widerstand mit der schweren Last darauf. Mein Körper blieb irgendwie an dem Stuhlbein hängen. Da erhob sie sich, um mich festzuhalten. Ich stolpere, sie erhebt sich, alles im gleichen Augenblick, verstehen Sie?»
Patient richtet sich auf, stützt die Arme auf die Sitzfläche, reckt den Hals, um das Aufstehen zu veranschaulichen.
«Der Stuhl schwebt, alles ist in der Schwebe. Verstehen Sie? Ein phantastischer Moment. Ein Augenblick vor der Zeit. Vor der Schöpfung, möchte ich sagen.»
«Glauben Sie denn an die Schöpfung?», fragt Dr. Holota.
«Noch war nichts
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