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Der wahre Sohn

Der wahre Sohn

Titel: Der wahre Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kühl
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Vielleicht war Holota für ihn von Bedeutung. Um weiterzukommen, musste er es ihm dennoch zeigen.
    «Kennen Sie diesen Mann?»
    Arkadij nahm das Foto. «Wer soll das sein?»
    «Er hat mit dem Autodiebstahl zu tun.»
    Arkadij schüttelte den Kopf. «Nie gesehen.»
    «Möglicherweise hat dieser Mann auch versucht, Ihren Vater umzubringen.»
    Arkadij betrachtete das Bild eingehend. «Irgendwie kommt er mir schon bekannt vor. Seine Gesichtszüge. Er hat ein bisschen Ähnlichkeit mit meinem Vater, finden Sie nicht?»
    «Den hab ich ja leider nicht mehr kennengelernt.»
    Konrad steckte das Foto wieder ein. Sie saßen eine Weile schweigend da. Arkadij hielt ihm einen Teller mit Weintrauben hin, Konrad zupfte sich eine ab und rieb sorgfältig den weißen Belag weg.
    «Hat Svetlana mir hiergelassen.»
    Konrad nickte.
    «Sie behaupten doch immer, Sie haben so viel Spaß mit den Frauen», fing Arkadij an. «Soll ich Ihnen mal erzählen, was meine Eltern gemacht haben?»
    «Lassen Sie, kann ich mir schon vorstellen.»
    Arkadij errötete. «Nein, das meine ich nicht. Meine Eltern haben immer wieder versucht, mich zu verkuppeln», sprudelte er los. «Meistens hat Svetlana gekocht, am Sonntag luden wir oft ein, irgendwann dann Mädchen, Töchter von Bekannten und so. Oder wir gingen mit ihnen aus. Den Tisch im Restaurant musste man Wochen im Voraus bestellen. Vater zog seine Paradeuniform an. Es war schrecklich für mich, ich fühlte mich beobachtet, jede Bewegung und jede Bemerkung von mir wurden kritisch bewertet. Und was für banale Weiber sie da anschleppten!»
    «Aber Sie haben es mitgemacht», bemerkte Konrad.
    «Schon, aber mehr für meinen Vater. Ich wollte ihn nicht verletzen. Obwohl er sich fürchterlich gequält hat. Manchmal hat er mir ironisch zugeblinzelt.»
    «Weil Sie beide insgeheim Olha mochten, stimmt’s?», fragte Konrad.
    Arkadij sah ihn verwundert an. «Wie kommen Sie darauf?»
    «Haben Sie doch mal erzählt.»
    «Stimmt nicht. Ihnen habe ich das nicht erzählt. Jedenfalls war einmal eine Arbeitskollegin von Svetlana da», fuhr er endlich fort. «Jünger natürlich, aber vom Typ her ähnelte sie ihr. Mit einem großen Busen. Ich hatte das Gefühl, an dieser Person zu ersticken. Sie trug eine flauschige Bluse, diese glänzende Wolle mit feinen Glitzerfäden, die damals modern war. Und immer wenn mein Blick aus Versehen dran hängenblieb, weil ich ihr nicht in die Augen schauen wollte, drückte sie die Brust noch extra heraus.»
    «Wie hat sich Ihr Vater verhalten?»
    «Er spielte den Gentleman.»
    «Und diese Frau hat Ihnen gar nicht gefallen?»
    «Ihr Gesicht war weich und rund. Sie sind jetzt lange genug hier und kennen diese Gesichter. Sie aß mit großem Appetit. Ihr Unterleib …»
    «Nein, nicht schon wieder», bat Konrad.
    Arkadij stutzte. «Geht es Ihnen gut? Sie scheinen Dinge zu hören, die ich gar nicht gesagt habe. Jedenfalls merkte ich, dass Svetlana sich selbst zusammenreißen musste, um diese Frau zu ertragen. Svetlana ist da allergisch, wenn sie nicht selbst als weibliches Wesen im Mittelpunkt steht, wird sie nervös.»
    «Ach ja?»
    «Ja. Sie müssten sie mal mit einer anderen Frau zusammen erleben.»
    Eine kurze Pause entstand.
    «Die Spannung war unerträglich. Ich als Versuchskaninchen. Svetlana will mir eine Frau unterschieben, die sie selbst im Grund furchtbar findet. Dann Olhas leere Kammer. Olha ist nicht da, und doch ist sie da. Sie ist so intensiv. Der Schmerz lähmt mich. Neben mir mein Vater, ein gequälter Körper, kalt und nackt, er riecht nach Zigaretten, früher war er stark und frei, er hat da draußen im Schnee gekämpft, seit dem Krieg ist etwas in ihm zerbrochen, seit Olha weg ist, ich liebe ihn so sehr, er ist so zart, und nun muss auch er diese Schmierenkomödie mitspielen. Wir zwinkern uns zu. Ich verstehe nicht, warum er sich dazu zwingen lässt. Es tat mir so leid für ihn. Nur für Vater habe ich dieses Theater ertragen. Und Svetlana wurde immer hektischer.»
    «Warum haben Sie nicht einfach zugebissen?», lachte Konrad.
    «Hab ja die Tischdecke weggezogen und bin zum Fenster gerannt, habe es aufgerissen und so getan, als wollte ich rausspringen.»
    «Hatten Sie denn nicht die geringste Lust auf diese Frau?»
    «Ich war doch viel zu klein.»
    «Klein? Wie alt waren Sie?»
    «Egal. Ich war eine Witzfigur. Einfach lächerlich. Kein richtiger Mann. Nur Olha konnte einen wie mich lieben. Deshalb wurde sie ja weggejagt.»
    «Weil sie Sie geliebt hat?»
    «Ja», sinnierte

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