Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
wahrscheinlich schon zu Hause“, meinte Waplach nach einiger Zeit. Abunajka war tatsächlich zu Hause.
„Es wird schon Morgen!“, war das Erste, was er zu den Ankommenden sagte, und er lächelte müde.
Pawel rümpfte die Nase – an dem Alten haftete ein schlechter Geruch nach Verbranntem und dazu kam noch der Geruch von Rentierurin, aus dem Abunajka nach den Worten des geflüchteten Komsomolzen irgendwelche Arzneien herstellte.
„Wir müssen zum Militär fahren!“, erklärte der Urku-Jemze dem Alten. „Der Russe Dobrynin hat es sehr eilig.“
Der Alte hatte ganz offensichtlich keine Lust, sich auf den Weg zu machen, aber er nickte dennoch.
„Wir fahren mit meinem Schlitten“, sagte Waplach, als er bemerkte, dass der Alte sich zu der kurzen Peitsche hinunterbeugte, die auf dem Boden lag.
„Gut“, war Abunajka einverstanden.
Sie verließen den Balagan. Erst in diesem Moment wurde Dobrynin bewusst, dass es um sie herum erstaunlich hell war. Das bedeutete, dass sowohl die Nacht als auch die Dämmerung zu Ende waren, und jetzt ringsum der Tag weiß und freudig regierte. Zum ersten Mal seit langer Zeit lächelte Pawel. Kriwizkij gab es nicht mehr, was gleichzeitig hieß, dass Dobrynin gewissermaßen für Ordnung und Gerechtigkeit gesorgt hatte. Aber er wusste, dass es bis zur endgültigen Ordnung noch weit war und dass es gar nicht in der Macht seines Bauernverstandes lag, eine solch tiefgreifende Ordnung mit all ihren Feinheiten einzuführen. Dafür würden gebildete Menschen hierherkommen müssen, und zwar mit Sicherheit aus großen Städten oder aus Moskau.
Sie nahmen auf dem Schlitten Platz. Der Urku-Jemze richtete sich vorne ein und ließ seine Peitsche über die flaumhaarigen Hunde knallen. Sie zogen die Riemen straff, bewegten den Schlitten von der Stelle und liefen leichtfüßig den Weg entlang, der mit dem Auge nicht zu sehen war und den nur die Bewohner dieser Gegend kannten.
Waplach, der den Hunden den Weg überließ, drehte sich um und sah Abunajka ernst und, wie es Dobrynin schien, erregt an. Obwohl sich der Alte im Halbschlaf befand, bemerkte er seinen Blick.
„Was möchtest du sagen?“, wandte er sich an den Urku-Jemzen. Links und rechts sausten die Hügel und der Schnee vorbei und die Kufen sangen ihr leises, sanft pfeifendes Lied.
„Das war nicht gut“, begann Waplach. „Ekwa-Pyris wird nicht zufrieden sein.“
„Warum nicht?“, fragte der Alte verwundert.
„Ein schlechter Mensch wurde geopfert. Ekwa-Pyris wird denken, dass er nicht mehr geliebt wird …“, erwiderte Waplach.
Dobrynin konnte nicht verstehen, worüber seine Weggefährten sprachen. Deshalb sah er sich nach allen Seiten um und zu seiner Freude entdeckte er vor sich Bäume, die spärlich wuchsen, vorwiegend zwischen den Hügeln. Die Hügel selbst, besonders ihre Kuppen, waren nackt.
„Nei-ein“, widersprach der Alte Waplach. „Er wird zufrieden sein.“
„Wovon sprecht ihr?“, fragte Pawel.
„Die Allerbesten gehören geopfert, aber wir haben heute den Allerschlechtesten verbrannt. Der Gott wird nicht zufrieden sein.“
„Aha.“ Dobrynin verstand, worum es ging. „Aber ich glaube, dass es richtig war. Die Guten müssen leben und die Zukunft formen, und die Schlechten muss man verbrennen.“
Auf Dobrynins Worte folgte Schweigen. Abunajka und der Urku-Jemze schienen über das, was der Volkskontrolleur gesagt hatte, nachzudenken. Dann nickte Waplach für sich und sagte:
„Der Russe ist klug, der Russe weiß, wen man verbrennen muss und wen nicht.“
„Ja“, ergänzte Abunajka. „Weise Menschen kommen immer von weither, Dumme wohnen in der Nähe.“
Der Schlitten flog nur so dahin. Liebevoll sah Dobrynin auf die vorbeiziehenden Bäume, die klein und dünnstämmig waren, ihn aber doch ein wenig an seine Heimat erinnerten. Er dachte an die Zukunft, wie er mit einem Orden nach Kroschkino zurückkehren, am Tisch sitzen und Manjascha und den Kindern von diesen schrecklichen Tagen und Wochen erzählen würde, die er in einem für menschliches Leben gänzlich ungeeigneten kalten Gebiet verbracht hatte; wo man Menschen weder anständig beerdigen, noch menschenwürdig bestrafen konnte, sondern wo alles nach einheimischen nationalen Gesetzen ablief, die völlig anders waren als die russischen Gesetze, nach denen sowohl in Moskau als auch im Dorf Kroschkino gelebt wurde.
„He!“, drehte sich Waplach wieder um. „Dort steht etwas!“
Der Alte und Pawel sahen nach vorne, aber anscheinend hatten sie
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