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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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nicht so scharfe Augen wie der Urku-Jemze. Erst zehn Minuten später erblickten sie einen auf der Seite liegenden Propellerschlitten. Sie fuhren näher heran und gaben den Hunden den Befehl zu halten.
    Im Propellerschlitten war niemand.
    „Wir müssen im Kreis gehen!“, schlug Dobrynin vor und seine Gefährten traten gehorsam an die Maschine heran und begannen, sie im Gehen zu umkreisen.
    „Nein, hier gibt es zu wenig Schnee“, schüttelte Waplach den Kopf. „Wir müssen uns einfach umschauen, unter diesem Schnee ist nichts.“
    Sie gingen in verschiedene Richtungen. Abunajka erklomm den Hügel, Waplach hingegen begann, in die Niederung hinabzusteigen, wo einige ziemlich verhungerte Bäume wuchsen, und wenn sie auch nicht größer werden wollten, so standen sie zumindest einmal da.
    Dobrynin ging im Kreis um die Maschine herum und fixierte dabei aufmerksam die Schneeoberfläche.
    „He!“, rief Abunajka von der Hügelkuppe aus. „Ich habe ihn gefunden!“
    Nachdem Pawel und Waplach zum Alten auf die Spitze des Hügels hinaufgeeilt waren, erblickten sie das Skelett eines Mannes im Schnee – die Knochen waren sauber abgenagt und nur ein gewisses Organ, vom Frost lila gefärbt, war gänzlich unberührt geblieben. In der Nähe lagen die Reste einer zerrissenen Pelzjacke herum.
    „Ei-jei-jei …“, sagte Abunajka. „Ojasi war hier.“
    „Ist das etwa ein Tier?“, fragte Pawel nach.
    „Der böse Geist Ojasi-kamuj!“, erklärte Waplach. „Nur er frisst Menschen und Tiere auf diese Weise auf.“
    Pawel begann der Bauch zu schmerzen. Er fasste mit der Hand an die schmerzende Stelle und verzog den Mund.
    „Wir müssen von hier weg!“, stieß Abunajka hastig hervor. „Er kann wiederkommen! Er ist sehr böse!“
    Sie liefen den Hügel hinunter und jagten auf dem Schlitten in die Richtung der weit entfernten Militärstadt.
    Allmählich ließ der Schmerz nach. Pawel legte sich hin und bettete dabei den Kopf auf seinen Reisesack. Waplach trieb die Hunde an und sang sein Lied. Abunajka döste im Sitzen und bewegte dabei manchmal seine blutleeren, weiß-gelben Lippen.
    Lange fuhren sie durch den Schnee des Nordens.
    „Dieser Ojasi ist ein sehr böser Geist“, erzählte der Urku-Jemze dem ausgestreckten Dobrynin. „Er ist ganz klein, reicht mir nur bis zur Schulter, sein Kopf ist flach und gelb-grün und seine Augen sind rund mit roten Pupillen. Seine Haut ist voller Pickel und er geht ganz lautlos. Einmal kam er zu meinem Zelt und fraß einen Hund auf. Es war ein guter Hund … Und die anderen Hunde bellten nicht, sie hatten wahrscheinlich Angst vor ihm …“
    Diese schreckliche Erzählung schläferte den Volkskontrolleur seltsamerweise ein, und während er bereits in einen warmen und behaglichen Schlaf hinüberglitt, kam ihm vor, als ob jemand neben seinem Bett sitzen und ein Märchen erzählen würde. Durch den über ihn einfallenden Schlaf hindurch hörte Pawel Waplachs Stimme, und es lief ihm so lange kalt den Rücken hinunter, bis die Stimme des Urku-Jemzen in anderen Geräuschen eines Traums unterging, der sich rasch verdichtete. Darin tauchte ein guter alter Großvater auf, der durch Moskau wanderte und von allen, die er unterwegs traf, Pralinen für die Kinder sammelte. Die Passanten und selbst die Soldaten blieben bereitwillig stehen, als sie den Alten sahen, und warfen eine Vielzahl von allerlei Dingen in seinen Sack, die sie aus den verschiedenen Taschen ihrer Kleidung hervorholten. Dobrynin freute sich für den Alten und er ging weiter durch die Straßen und Gassen seines Traums hinter dem Großvater her, um ihm zu helfen, wenn es nötig würde, oder auch nur, um den Sack für ihn zu tragen, sollte der Alte nicht mehr die Kraft haben, die schwere Last zu heben. Es war schön, durch die breiten Straßen der Stadt zu gehen, und nur manchmal wurde Dobrynin von der Stimme des Urku-Jemzen abgelenkt, der seinen Hunden etwas in der unverständlichen urku-jemzischen Sprache zurief.

Kapitel 20
    Der Hügel, an dessen Fuß das Neue Gelobte Land begründet werden sollte, zeichnete sich durch seine exakte runde Form und durch seine Größe aus. Am Fuß des Hügels waren die nahezu vollständig vermoderten und verrotteten Holzgebäude von früheren Siedlern zu erkennen. Hinter den Gebäuden erhoben sich die Grabhügel eines weitläufigen Friedhofs, der recht ungewöhnlich war, da keine Bäume dort wuchsen und es keinen Zaun gab, stattdessen ging er einfach in eine Ebene über, die vielleicht früher einmal ein

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