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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Tonschüsseln und reichte eine dem Volkskontrolleur. Er gab ihm auch einen weißen, knöchernen Löffel. Ach, und jetzt noch Brot dazu!, dachte Dobrynin kummervoll. Die Suppe war stark gesalzen, aber durchaus genießbar. Pawel aß sie schnell auf und erinnerte sich an die erste Lenin-Erzählung und an die darin vorkommende schlecht schmeckende Nationalsuppe. Das war wahrscheinlich nicht hier, dachte Dobrynin.
    Der Urku-Jemze aß langsam und schmatzte dabei laut. Als er fertig gegessen hatte, stellte er die leere Schüssel auf den Boden neben den Ofen und schlug erneut vor, Tarasun zu trinken. Dieses Mal lehnte Dobrynin nicht ab. In seinem Mund machte sich sofort ein angenehmes Gefühl breit, aber auf seinem Herzen lasteten die Eindrücke dieses Tages immer noch wie ein schwerer Stein, und Pawel konnte an nichts anderes denken.
    „Abunajka macht alles“, sagte Waplach, der wieder Pawels Gedanken erriet. „Er spricht mit dem Volk, das Volk hört auf ihn.“
    Danach saßen sie schweigend da. Sie tranken Tarasun und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
    Es war nicht viel Zeit vergangen, vielleicht zwei Stunden, vielleicht drei, da war wieder das Knirschen des Schnees zu hören. Abunajka trat mit geschäftigen, schnellen Schritten in das Zelt. Auf seinem runden, gebräunten Gesicht lag ein so ernster Ausdruck, dass Dobrynin sofort aufstehen wollte. Schließlich rufen ernste Menschen immer Respekt hervor.
    „Gericht ist bereit“, sagte der Alte. „Hunde warten. Wir müssen fahren.“
    Sie gingen hinaus und setzten sich in den Schlitten. Der Alte rief den Hunden etwas zu und knallte mit einer kurzen Peitsche. Unterwegs knöpfte Pawel seinen Pelz zu, obwohl ihm nach dem Tarasun warm geworden war.
    „Wo findet das Gericht statt? In Chulajba?“, fragte er den Alten, der vor ihm saß.
    „Warum in Chulajba?“ Der Alte zuckte mit den Schultern. „Gericht wird an gutem Ort sein, dort, wo es immer ist.“
    Die Hunde liefen flink. Der Schnee unter den Schlittenkufen sang beinahe, und das gefiel Dobrynin und beruhigte ihn.
    Neben ihm saß der Urku-Jemze. Er hatte die Augen geschlossen und sang ebenfalls leise, so als würde er in den Schneegesang einstimmen. Er sang etwas in seiner urku-jemzischen Sprache. Das Lied war schwermütig und traurig und Pawel schloss daraus, dass Waplach in diesem Lied wohl das tragische Schicksal des Volkes der Urku-Jemzen besang. Pawel wollte ihn genauer befragen, was mit seinem Volk passiert war, aber er konnte sich nicht entschließen, das Lied zu unterbrechen.
    Die Hunde liefen schnell, und Dobrynin beobachtete mit Vergnügen, wie sie liefen. Sie waren schön und flaumhaarig, nur eines fehlte Pawel – er wünschte sich, dass diese Hunde beim Laufen bellten, aber sie liefen schweigend, und Dobrynin konnte ihr Schweigen verstehen. Schließlich hielt auch er selbst bei diesem Aufenthalt unter dem Himmel des Nordens den Mund geschlossen, um die stechende, frostige Luft nicht in sich hineinzulassen. Und vermutlich bellten die Hunde aus ebendiesem Grund nicht.
    Um sie herum hoben und senkten sich schneebedeckte Hügel, alles war eintönig und unwirtlich.
    Nachdem sie auf der Kuppe des nächsten Hügels angelangt waren, hielt Abunajka die Hunde mit einem Zuruf an und blickte nach allen Seiten. Dann rief er wieder etwas und die Hunde zogen den Schlitten den sanft abfallenden Abhang hinab.
    Dobrynin blickte nach vorn und sah einen Platz von bräunlicher Farbe, der vom Schnee befreit war, sowie noch einige andere Hundegespanne und einen Rentierschlitten. Auf dem Platz standen Menschen, die mit irgendetwas beschäftigt waren, mit was genau, war aus dieser Entfernung nicht zu erkennen.
    Nach kurzer Zeit hieß Abunajka die Hunde am äußersten Rand des Platzes stehenbleiben, und die Hunde freuten sich, als sie ihre Artgenossen sahen, und wedelten einander mit ihren flaumhaarigen Schwänzen zu.
    Pawel trat näher zu den Einheimischen heran und erkannte, dass er schon einmal auf diesem Platz gewesen war – der Komsomolze Zybulnik hatte ihn auf dem Weg nach Chulajba mit dem Propellerschlitten hierhergebracht. Und genau so wie damals stand der Holzpfahl mit der an der Spitze befestigen Iljitsch-Büste, auf deren Schulter etwas eingeritzt war. Ja, das war derselbe Ort, der „Leninwinkel“, wie ihn der Komsomolze genannt hatte.
    Wie sich herausstellte, hatten die Einheimischen Brennholz mitgebracht und waren gerade damit beschäftigt, das Holz auf einer besonderen quadratischen Feuerstelle anzuordnen,

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