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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Feld gewesen war, als hier noch Ackerbauern vom Pflügen und Säen lebten. Auf der anderen Seite des Hügels schlängelte sich ein verspieltes Bächlein dahin, etwa fünfzehn bis zwanzig Schritt breit, und durchschnitt ein von Hügeln durchzogenes Feld, hinter dem ein dichter, tief verwurzelter Wald begann.
    Von Archipka-Stepan geführt machten die Menschen hier Halt und beschlossen, dass dies der Ort sei, den sie gesucht hatten. Tatsächlich waren sie bei Tagesanbruch mit letzter Kraft an dem Hügel angekommen. Und da stieg genau hinter der Hügelkuppe die Sonne in den Himmel empor, riesengroß und gelb wie gute Butter, und es wurde so schön ringsum, dass es den Wanderern den Atem verschlug. Sie blieben jäh stehen, da jeder für sich beschlossen hatte, dass dies hier das Neue Gelobte Land war. Offensichtlich stimmte das auch, denn einer der entflohenen Kolchosbauern, die inzwischen schon freie Bauern waren, stieß eine Hacke in die Erde und wunderte sich, wie weich und nachgiebig sie war, rabenschwarz und leicht wie Gänsedaunen. Vor lauter Begeisterung über diese Erde setzte sich der Bauer sogleich ins Gras und begann, die Erde mit seinen rauen Händen zu streicheln, als wäre sie lebendig und könnte die Liebkosung eines Menschen fühlen.
    Währenddessen gab Archipka-Stepan das Kommando, den Hügel zu besteigen, um dort endgültig Halt zu machen. Die Menschen erklommen die Hügelkuppe – es war ein breites und ebenes Plateau – und sahen sich um. Und wieder stockte ihnen der Atem vor Begeisterung.
    Inzwischen war die Sonne noch höher gestiegen. Die Vögel zwitscherten in ihrem Licht, einige sangen sogar, und all das erfüllte die Luft mit solcher Glückseligkeit, dass selbst das Einatmen süß und angenehm war.
    Als die Begeisterung nachgelassen hatte, begannen die Menschen über ihr Leben dort nachzudenken, und der bucklige Buchhalter, der Archipka-Stepans Gehilfe geworden war, ließ die Menschen geordnet antreten und gab jedem eine Anweisung, was er zu tun hatte und wie er es tun sollte. Dabei unterstützte ihn der ehemalige Rotarmist, der jetzt der freie Kämpfer Trofim war. So schickten sie manche in den Wald um Brennholz, andere, um dort Bauholz zu beschaffen, und die dritten zum Fluss, um nachzusehen, ob es darin Fische gab. Die Frauen wurden angewiesen, Essen zu kochen, sodass es für alle reichte. Einige begannen sogleich Kühe zu melken, andere trieben ihre Kühe zum Weiden auf die grünen Hänge des Hügels. Zwischen den Kühen grasten auch zwei schlanke Pferde, beide waren wohlgebaut und hatten kastanienbraunes Fell.
    So verging der erste Tag, und als er zu Ende gegangen war, hatte sich auf der Hügelkuppe vieles verändert. Dort wuchs nun ein Stapel gefällter Kiefernstämme empor und genau in der Mitte loderte ein Lagerfeuer, dessen Flammen zischend um einen großen Kessel züngelten, in dem sich das Flusswasser allmählich in eine Erdbeerbrühe verwandelte. Alle Bewohner des Neuen Gelobten Landes saßen um das Feuer herum, die einen näher, die anderen weiter weg. Ihre Freude fand dabei unterschiedlichen Ausdruck, die einen freuten sich still, die anderen laut. Der Engel saß neben der hellblonden Lehrerin Katja, die den warmen, fröhlichen Abend genoss und dem Engel erzählte, dass die Erde rund war und die Sterne in Sternbildern angeordnet waren und eigene Namen hatten. Sie erzählte auch davon, dass in ebensolchen Feuern kluge Menschen von spanischen Inquisitoren verbrannt worden waren und dass sich während der Oktoberrevolution die Rotarmisten auf Wachposten an solchen Lagerfeuern friedlich gewärmt hatten. Ihre liebliche, zarte Stimme klang leise und melodisch und dem Engel war es gar nicht wichtig, worüber sie sprach, da er nicht ihren Worten, sondern nur der Musik ihrer Stimme lauschte.
    Archipka-Stepan saß nahe am Feuer, neben dem Buckligen und einem Mann mit einer schmutzigen Wattejacke. Dieser Mann begann immer wieder von einer Bodenparzelle mit Rüben zu sprechen, aber der Bucklige unterbrach ihn jedes Mal mit der Bemerkung, dass niemand eigene Parzellen haben würde, denn sie würden wie eine Familie in einer Kommune leben und das würde bedeuten, dass nichts für den Einzelnen, sondern alles für die Gemeinschaft zu tun sei. Archipka-Stepan nickte dazu. Als der Mann schließlich begriff, dass er keine eigene Parzelle erhalten würde, bekümmerte ihn das nicht allzu sehr, er sagte nur:
    „Kann ich dann vielleicht Brigadier werden?“
    „In Ordnung!“, nickte der Bucklige. Der

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