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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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dabei seine vom Rauchen ganz gelben Zähne. „Ich mag einfaches Essen, von so etwas bekomme ich Blähungen …“
    „Na, setz’ dich trotzdem dazu“, bat Dobrynin. „Allein ist es langweilig.“
    Und er zog die Suppenschüssel zu sich heran und begann zu essen. Nach dem zweiten Löffel Suppe erschien auf Dobrynins Gesicht ein Ausdruck des Erstaunens. Er sah den Hausmeister fragend an, schluckte das, was er gerade im Mund hatte, und fragte:
    „Ist das eine russische Suppe? Oder vielleicht irgendeine Nationalsuppe?“
    „Nationale Suppen werden hier nicht gekocht. Also muss es eine russische sein …“, antwortete der Hausmeister.
    Dobrynin schob die Schüssel mit Entschiedenheit von sich und wandte sich der Hauptspeise zu, die ganz anständig aussah – gebratenes Fleisch und ein paar Kartoffeln.
    Der Hausmeister saß da und sah dem Volkskontrolleur mit Anteilnahme beim Essen zu. Und als Dobrynin auch die Hauptspeise wegschob, ohne sie aufgegessen zu haben, bot der Hausmeister an:
    „Soll ich vielleicht etwas Speck bringen? Ja?“
    Pawel Aleksandrowitsch, der noch immer ein unzufriedenes Gesicht machte, gefiel der Vorschlag des Hausmeisters, und er nickte diesem guten Menschen zu.
    „Wie heißt du?“, fragte Dobrynin den Hausmeister, als dieser mit einem großen Stück Speck und einer Flasche Wodka zurückgekehrt war.
    „Wasja heiße ich“, stellte sich der Hausmeister bereitwillig vor.
    „Und ich bin Pawel.“
    Nachdem sie einige dicke Scheiben Brot abgeschnitten und es mit appetitlichen Stücken echten Bauernspecks belegt hatten, der von feinen Fleischfasern durchzogen war, mussten der Hausmeister und der Volkskontrolleur gleichzeitig grinsen und sie seufzten beide erleichtert auf. Wasja holte Gläser aus dem Küchenschrank und schenkte Wodka ein.
    „Sagen Sie nur ja niemandem, dass wir hier …“, und der Hausmeister beendete seine Bitte, indem er mit dem Zeigefinger auf den Speck und die Flasche zeigte. „Sonst jagt man mich zum Teufel.“
    „Ich sage sicher nichts!“, beruhigte ihn Dobrynin und dachte dabei, dass man, sollte dies eine ernstliche Verletzung der Vorschriften sein, auch ihn dafür hinauswerfen könnte.
    „Dann also auf Ihre Rückkehr!“ Wasja hob das Glas.
    Sie stießen an und tranken. Dann bissen sie von ihren dicken Speckbroten ab.
    „Arbeitest du schon lange hier?“, fragte Dobrynin.
    „Vier Jahre sind es jetzt“, erzählte der Hausmeister. „Man hat mich auf Empfehlung der Kolchose hergeschickt. Ich kann nämlich nicht so gut sehen. Obwohl ich natürlich alle Bewohner des Hauses schon von weitem am Gesicht erkenne, aber es wohnen jetzt auch nur mehr vier Personen hier. Ihre Frau, Marija Ignatjewna, dann jemand im ersten Stock, der Staatsanwalt Loschkarew, dann noch Feldmann aus dem Theater der Sowjetarmee – er wohnt im dritten Stock –, und der Deutsche Schlosse oder Flosse im vierten. Die übrigen Wohnungen sind leer …“
    Pawel Aleksandrowitsch wollte sich zwar tatsächlich gern unterhalten, aber doch irgendwie klug, mit einem Nutzen für sich selbst oder zumindest für seinen Gesprächspartner, und deshalb unterbrach er Wasjas Erzählung über die Bewohner des Hauses.
    „Lass uns lieber von etwas anderem reden!“, wandte er sich an den Hausmeister. „Liest du gerne?“
    Der Hausmeister stutzte und blickte Dobrynin erschrocken an.
    „Und warum?“, fragte er.
    „Ja also, einfach so … Ich wollte dir eine Geschichte erzählen, die ich in einem Buch gelesen habe. Es gab da so einen Mann – Lenin, kennst du ihn?“
    „Aber natürlich kenne ich ihn, sicher …!“, antwortete Wasja immer noch auf der Hut.
    „Also, in dieser Geschichte geht es um ihn und um eine Suppe …“
    Und der Volkskontrolleur erzählte die erste Geschichte aus dem Buch, die von der Nationalsuppe handelte, die nicht schmeckte.
    Mit offenem Mund hörte der Hausmeister ihn bis zum Schluss an. Als Dobrynin geendet hatte, schenkte Wasja Wodka nach und fragte leise, fast flüsternd:
    „Ist das denn alles wahr?“
    „Ja!“, bestätigte Dobrynin, der sich über den Zweifel des Hausmeisters wunderte.
    „Das hätte ich nicht gekonnt!“, schüttelte der Hausmeister den Kopf. „Ich hätte sofort Blähungen bekommen, und ich hätte … das gleich gar nicht …“
    „Ich glaube, ich hätte es gekonnt“, sagte Pawel Aleksandrowitsch. „Aber ich weiß es nicht genau … Das ist schließlich eine russische Suppe“, Dobrynin zeigte mit dem Blick auf die Schüssel vor sich. „Die hätte ich

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