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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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durch das Erlösertor des Kreml fuhr, hielt er einen Augenblick an. Auf der Seite von Viktor Stepanowitsch wurde die Tür geöffnet und es erschien das höfliche, aber reservierte Gesicht des wachhabenden Milizionärs. Nachdem er mit einem Blick alle überprüft hatte, nickte er Richtung Fahrer und schlug die Tür ohne ein Wort wieder zu.
    Sie fuhren in den Kreml hinein und blieben nach einigen Abzweigungen stehen.
    Auf dem Kremlgelände regnete es stärker. Die Tropfen trommelten mit einer solchen Macht auf das Auto, dass es sich wie Hagel anhörte.
    Dobrynin und Viktor Stepanowitsch stiegen aus dem Wagen und liefen hastig durch den Regen zum Diensteingang an der Stirnseite des bereits bekannten Gebäudes. Sie wurden aber trotzdem nass, und der Milizionär, der dort Wache stand, blickte sie mit aufrichtigem Mitleid an.
    Ein unangenehmes Gefühl, das vom Wasser kam, das Viktor Stepanowitsch in den Kragen lief, ließ diesen aufstöhnen, während er dem Milizionär seinen Ausweis zeigte. Dobrynin griff zu seiner Volkskontrolleursvollmacht und streckte sie dem Wache stehenden Mann ebenfalls hin. Als der Milizionär die Vollmacht gelesen hatte, blickte er auf den Reisesack in Dobrynins Händen.
    „Was ist denn da drin?“, fragte er.
    „Unterlagen für den Genossen Kalinin“, antwortete der Volkskontrolleur.
    „Treten Sie ein“, nickte der Milizionär.
    Viktor Stepanowitsch und Dobrynin stiegen eine schmale Marmortreppe hinauf, die von einem ehemals roten, von tausenden, vielleicht sogar Millionen Stiefeln abgetretenen Läufer bedeckt war.
    Dobrynin lächelte innerlich, da der Milizionär dieses Mal seinen Sack nicht durchsucht hatte, in dem außer der Aktentasche mit den Unterlagen auch noch die Axt und das Kriwizkij-Porträt lagen. Seine Freude war einfach und auf bäuerliche Art unschuldig.
    Sie durchschritten einen langen Korridor und blieben vor einer Tür stehen.
    Es war dasselbe bescheidene Zimmer, in dem sich kaum Möbel befanden – nur der große Arbeitstisch voller Papier und Aktenmappen und der kleine Beistelltisch mit den drei Stühlen sowie noch das Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand.
    „Ah!“, freute sich Genosse Kalinin, als er Dobrynin erblickte. „Pascha! Herzlich willkommen! Wir haben uns lang nicht gesehen!“
    Dobrynin wurde ganz verlegen und grüßte nicht einmal gleich – er hätte sich nicht gedacht, dass Genosse Kalinin sich so gut an ihn erinnern würde.
    „Aber warum stehst du denn in der Tür!“, empörte sich Genosse Kalinin im Scherz. „Komm doch herein, du bist mir ein teurer Gast!“ Dann drehte er sich gleich zu Viktor Stepanowitsch um und sagte mit ganz veränderter Stimme:
    „Und du, Stepanytsch, geh bitte und sag, dass man Tee bringen soll. Dann kannst du dich ausruhen!“
    Dobrynin trat ein und setzte sich auf einen der Stühle am Beistelltisch. Die Tasche stellte er auf den Boden zu seinen Füßen. Kalinin setzte sich ihm gegenüber und fixierte mit einem durchdringenden Blick die Augen des Volkskontrolleurs. Und der Kontrolleur sah den Genossen Kalinin an und wunderte sich. Dieser hatte sich überhaupt nicht verändert, nur auf dem Aufschlag seines Rocks, der immer noch derselbe war, war ein Orden hinzugekommen und außerdem noch zwei auffällige Flicken, die so grob aufgenäht waren, dass Dobrynin annahm, dass Kalinin selbst es getan haben musste. Ein Flicken lugte unter der linken Achsel hervor, der zweite befand sich rechts über der Tasche.
    „Also, wie ist die Arbeit dort?“, fragte Genosse Kalinin mit Interesse.
    Dobrynin seufzte bedauernd. Ihm war klar, dass, sobald er seine Erzählung beginnen würde, er dem Genossen Kalinin auch die Stimmung verderben müsste, aber es war notwendig zu sagen, denn schließlich war er aus ebendiesem Grund in einem Bombenflugzeug durch nahezu das ganze Land geflogen und hierhergekommen.
    „Ganz unterschiedlich …“, begann Dobrynin unentschlossen.
    „Nur keine Angst, erzähl alles, so wie es ist!“, sagte Genosse Kalinin nun mit ernster Stimme.
    „Also dann: Schlimm geht es dort zu“, räumte der Volkskontrolleur durch Kalinins Worte ermutigt ein.
    Und Dobrynin erzählte vom Tod des Pferdes, vom Piloten und von Fjodor, von den Ungeheuerlichkeiten, die Kriwizkij in Chulajba verursacht hatte, von Kriwizkijs Hinrichtung und natürlich von der geheimen Geschichte von der Übergabe von Parteibeiträgen an die Japaner. Mit großer Trauer erzählte Dobrynin von den im Eis erfrorenen Kontrolleuren und davon, wie er

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