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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Regenwolken hingen nun bläuliche Wolken am Himmel. Der Regen hatte aufgehört, aber es war ziemlich windig.
    Dobrynin bestieg den Wagen, der auf ihn gewartet hatte, und fuhr zu seiner Dienstwohnung.
    Zu Hause war herrschte Stille, und in dieser Stille war das leise Ticken der Uhr zu hören, die in der Küche hing. Draußen war es immer noch Tag, aber in Dobrynins Innerem wurde es bereits Abend. Er war nach dem Gespräch mit dem Genossen Kalinin ziemlich erschöpft. Obgleich er sich erleichtert fühlte, da er Kalinin die Aktentasche mit den Unterlagen und das Porträt des Feindes übergeben und ihm auch alles Vorgefallene erzählt hatte, wollte er sich dennoch ein wenig hinlegen und dösen. Nachdem er die Stiefel von den Füßen gezogen und sie im Gang abgestellt hatte, ging Pawel Aleksandrowitsch ins Schlafzimmer und legte sich, ohne sich auszukleiden, auf das breite Bett.
    Nach einiger Zeit weckte ihn das Geräusch der Eingangstür, die aufgesperrt wurde. Er öffnete die Augen einen Spalt breit, wodurch er seltsamerweise besser hören konnte. Zwei Stimmen drangen an sein Ohr: eine weibliche, und eine andere, die militärisch klang. Das Gespräch der beiden Stimmen dauerte nur kurz, dann gingen zwei Paar Füße leise über den Flur, hierauf knarrte eine Zimmertür und zwei Mal war ein Geräusch zu hören, als ob Salzsäcke auf den Boden fielen. Wieder schritten Füße über den Flur, aber dieses Mal bereits in Richtung Ausgang. Daraufhin schnappte das Schloss der Eingangstür auch schon zu und es wurde wieder still.
    Dobrynin stand auf und warf einen Blick aus dem Schlafzimmer.
    Am Ende des Flurs, der wie ein kleiner Bach in das große Zimmer mündete, huschte ein leichter Schatten vorbei.
    Dobrynin überlegte, rieb sich kurz die Augen und machte sich immer noch verschlafen auf, den Schatten zu treffen.
    Im großen Zimmer entdeckte er seine dienstliche Ehefrau Marija Ignatjewna. Sie saß entspannt auf dem Sofa und ruhte sich offensichtlich aus. Als sie Dobrynin erblickte, sprang sie auf die Beine, schlug die Hände zusammen und hauchte zärtlich: „Pawluschka!“ Dann lief sie auf den Volkskontrolleur zu und umarmte ihn. Pawel Aleksandrowitsch umfasste ihre Schultern ebenfalls.
    „Du bist zurückgekommen! Endlich!“, schluchzte Marija Ignatjewna und vergrub ihr Gesicht in Dobrynins Brust. „Mein heiß Ersehnter …“
    Pawel Aleksandrowitsch geriet in Verlegenheit, als er ihr Schluchzen hörte. Wie kam er plötzlich dazu, ihr „heiß Ersehnter“ zu sein, wenn sie dort auf dem Nachtkästchen das Bild eines ganz anderen Mannes stehen hatte? Oder war das vielleicht so vorgeschrieben? Möglicherweise war jede dienstliche Ehefrau dazu verpflichtet, ihren dienstlichen Ehemann genau so willkommen zu heißen. Dobrynin versank in Gedanken, und dabei wurden seine Sinne von dem süßen Parfümduft benebelt, den ihr kastanienbraunes Haar verströmte. Und seine Hände strebten mit aller Macht danach, über die violette Seide ihres Kleides nach unten zu gleiten.
    Schließlich löste sich seine Frau aus der Umarmung – offenbar waren ihre Arme müde geworden –, sah dem Volkskontrolleur mit einem warmherzigen Blick in die Augen und lächelte das strahlende Lächeln eines glücklichen Menschen.
    Dobrynin ließ sie bereitwillig los, machte einen halben Schritt zurück, um Marija Ignatjewna betrachten zu können, und bemerkte eine Veränderung an ihr. Seine dienstliche Frau war noch attraktiver geworden. Ihr Gesicht war ein bisschen runder und ihre rosigen Wangen strahlten Frische aus. Auch hatte sie ein wenig zugenommen, was sie aber nur noch anziehender machte.
    „Wann bist du zurückgekommen, Pawluschka?“, fragte sie mit samtig weicher Stimme.
    Dobrynin schluckte und sagte gepresst:
    „Schon gestern.“
    „Setz dich doch!“ Sie zeigte mit der Hand auf das Sofa. „Wir haben uns so lange nicht gesehen!“
    Dobrynin setzte sich. Seine dienstliche Frau nahm neben ihm Platz und rückte dicht an ihn heran, sodass der Volkskontrolleur den Körper seiner Frau an seiner Seite spürte.
    „Bitte erzähl: Wo warst du, was hast du gemacht?“, bat Marija Ignatjewna und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
    Dobrynin überlegte, während er die in ihm aufsteigende Erregung zu unterdrücken versuchte. Er hatte wenig Lust, seiner dienstlichen Frau alles zu erzählen, was ihm geschehen war. Aber wieder kamen Zweifel in ihm auf: Vielleicht war es so vorgeschrieben und jeder dienstliche Ehemann war verpflichtet, seiner dienstlichen

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