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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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ist nicht in Ordnung“, sagte der entflohene Kolchosbauer zögernd. „Sie wollten doch auch Gerechtigkeit … Ohne sie wären wir ja gar nicht gesprungen!“
    „Ja, wir müssen sie finden …“, unterstützte der Engel den Bauern.
    Der Deserteur spuckte auf die nächtliche Erde. Dann sagte er:
    „Also gut, dann gehen wir!“
    Und zu dritt machten sie sich auf die Suche nach den herabgesprungenen Rotarmisten.
    Den ersten fanden sie schnell. Er saß mitten auf dem Weg und war bekümmert.
    „Was ist los mit dir?“, fragte ihn der Deserteur.
    „Der Kolben ist abgebrochen, als ich gesprungen bin … Jetzt taugt die Waffe nichts mehr …“
    „Das ist nicht schlimm“, tröstete ihn der Bauer. „Dort brauchst du sie sowieso nicht. Dort wird nicht geschossen.“
    Bei diesen Worten schien der Rotarmist seinen Kummer zu vergessen und kam auf die Beine. Nun waren sie schon zu viert, um den letzten Gefährten ihrer Flucht zu suchen. Lange wanderten sie die Straße entlang, und schon argwöhnten sie, dass der zweite Rotarmist gar nicht gesprungen war. Entweder hatte er Angst gehabt, sich die Beine zu brechen, oder er hatte befürchtet, dass man ihn fangen und mit einer rostigen Kugel als Deserteur erschießen könnte.
    Aber die Vermutungen sollten sich nicht bewahrheiten.
    „Stehen bleiben oder ich schieße!“, rief plötzlich jemand hinter ihrem Rücken.
    Sie fuhren zusammen, aber da hörten sie auch schon ein Lachen und begriffen, dass sich der zweite Rotarmist einen Scherz mit ihnen erlaubt hatte.
    „Na was ist?“ Er kam näher und sah den entflohenen Kolchosbauern streng an. „Dann zeig uns mal, wo dein Archipka ist!“
    Mit konzentriertem Blick betrachtete der Kolchosbauer aufmerksam eine Anhäufung von Sternen, dann führte er den ausgestreckten Zeigefinger seiner rechten Hand nach der Richtung seiner Augen, richtete also den Finger nach seinem Blick aus, so als ob es sich nicht um einen Finger, sondern um eine Zielvorrichtung handelte. Und er sagte:
    „Hier ist er. Ganz unscheinbar ist er, er leuchtet schwächer als die anderen!“
    Alle sahen in etwa dorthin, wohin sein Zeigefinger wies.
    „Aber dort sind ja alle gleich?!“, rief der Deserteur verwundert.
    „Nun, wie soll ich ihn dir anders zeigen?“, fragte der entflohene Kolchosbauer. „Ich erkenne ihn, aber für dich ist einer wie der andere …“
    „Lass gut sein“, sagte der Rotarmist, dessen Gewehr entzweigebrochen war. „Führ uns schon an, bald wird es zu dämmern beginnen und wir haben uns noch nicht einmal auf den Weg gemacht!“
    „Also, dann gehen wir!“, befahl der entflohene Kolchosbauer und schritt ernst und entschlossen drauflos, quer durch ein ungepflügtes Feld, wohin ihn der für die anderen unsichtbare Stern Archipka führte.
    Sie gingen so lange, bis hinter dem Horizont Strahlen hervorlugten und die nächtliche Dunkelheit vertrieben. Und als die Dunkelheit dahinschwand und sich in durchsichtiger Luft auflöste, blieb der entflohene Kolchosbauer stehen und hielt auch die anderen an, indem er sagte:
    „Jetzt warten wir bis zum Abend. Und dann werden wir noch sechs weitere Nächte unterwegs sein.“
    Die anderen ließen sich gehorsam auf der Wiese nieder und legten sich hin. Sie ruhten sich aus. Der Engel legte sich ebenfalls hin und sofort übermannte ihn der Schlaf. Er fühlte sich wohl und der Schlaf tat ihm gut.
    Über der Wiese summten Bienen und flatterten Schmetterlinge, und überhaupt erwachte das Leben auf der Erde, begann in den Stimmen verschiedener Vögel zu erklingen und im Summen der Insekten.
    Allmählich schliefen auch die anderen Gefährten sanft und friedlich ein und erwärmten sich an Träumen vom Neuen Gelobten Land, wo die Schwarzerde so locker wie Gänsedaunen war und alle in Gerechtigkeit lebten.

Kapitel 11
    An einem Herbstabend, an dem die untergehende Sonne besonders hell leuchtete, saß Wasilij Wasiljewitsch Banow auf dem Dach der von ihm geleiteten Schule und blickte in den Himmel.
    Der Sommerurlaub lag hinter ihm und die Erinnerung daran wärmte noch immer seine Seele, auch wenn man sich an Erinnerungen allein nicht erwärmen konnte, selbst wenn es Erinnerungen an den Süden waren. Und deshalb lenkte sich Wasilij Wasiljewitsch ständig von der Vergangenheit ab, dachte immerzu an die Arbeit, an den Lehrbetrieb, der erst kürzlich begonnen hatte und wo es galt, gut vierhundert Zöglinge mit Qualität und auf hohem Niveau auszubilden. Und tatsächlich war das etwas, worüber man nachdenken sollte,

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