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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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deutete der Alte mit beiden Händen auf den Kessel und sagte zu Kriwizkij:
    „Nimm Sülze, beleidige nicht Abunajka!“
    Der Vorsitzende nahm seinen Krug in die linke Hand. Mit der rechten fuhr er direkt in den Kessel hinein, rührte darin herum, wobei er aus der abgekühlten Sülze ein lockeres, weißes Etwas machte, und zog ein Stück eines bläulich-braunen Organs heraus, das entweder vom Pferd oder vom Rentier stammte.
    Dann wandte sich der Alte an den weit gereisten Gast Dobrynin und richtete die gleichen Worte an ihn: „Nimm Sülze, beleidige nicht Abunajka!“
    In seinem Inneren machte sich Ekel breit, aber der Volkskontrolleur erinnerte sich daran, dass man Nationalsuppen und Ähnliches respektieren musste. Also streckte er die Hand in den Kessel, bemühte sich um Sorgfalt, um das Gericht nicht allzu sehr zu verderben, ertastete dort hastig etwas Hartes und Längliches, zog es heraus und führte es zum Mund.
    Der Komsomolze war ebenfalls schnell und zog seine Portion flink aus dem Kessel. Und erst dann nahm der Herr des Balagan ein Stück aus der Sülze in die Hand und führte seinen Krug an die Lippen.
    „Also …“, dachte Genosse Kriwizkij laut und sagte dann: „Auf den Sieg des Sozialismus im Polargebiet!“
    Die Krüge stießen dumpf aneinander. Dobrynin schluckte den Tarasun und steckte das, was er in der Hand hielt, automatisch in den Mund. Das Organ stellte sich als recht hart heraus, aber es ließ sich leicht kauen. Als er das erste Stück zerkaut hatte, fiel dem Volkskontrolleur ein, dass die Russen dieses Organ normalerweise nicht aßen. Und wie von selbst stieg in seinem Körper eine Übelkeit hoch, aber Dobrynin bekämpfte sie eilig und ertränkte die unliebsamen und ärgerlichen Gedanken in einigen Schlucken Tarasun. Dann leerte er noch mehr davon in seinen Krug.
    „Abunaj-gin!“, ließ sich hinter der dicken Pelztür des Balagan ein Rufen vernehmen. „Urke bimi nelesken niwren!“
    „Was ist los?“, fragte Genosse Kriwizkij unzufrieden.
    „Man ruft Abunajka zum Gespräch“, erklärte der Alte, während er sich erhob.
    Er beugte sich hinunter, um die dicke Pelztür anzuheben, und schlüpfte aus dem Balagan.
    Dobrynin fühlte sich sehr wohl. Eine wunderbar sanfte Wärme breitete sich über seinen Armen und Beinen aus und sogar in seinem Kopf fühlte er wohlige, nicht in russische Worte zu fassende Schauer, die seine Stimmung versüßten. Nachdem er fertig gekaut hatte, schenkte er sich noch Tarasun nach, ohne auf die ebenfalls schweigend trinkenden Genossen zu achten. Die Stille gefiel ihm allerdings nicht. Weitaus angenehmer wäre es gewesen, wenn rundherum vertraute russische Geräusche zu hören gewesen wären: das Bellen oder Heulen eines Hundes, ein Türenschlagen oder auch nur das Geräusch von Regen. Aber auch hier, gleich neben diesem Balagan, lagen flaumhaarige Hunde mit flauschigem Fell im Schnee, sollte etwa ihr Bellen anders sein?! Nein, alle Hunde bellten gleich! Wenn sie jetzt losbellen würden … Der Volkskontrolleur fuhr sich bei diesem wohltuenden, träumerischen Gedanken über die Lippen, nahm mit den Fingern etwas von dem Fett, das von der Sülze im Kessel übrig war, und steckte es in den Mund. Dazu trank er kleine, wohltuende Schlucke des Milch-Wodkas.
    Abunajka kehrte zurück. Rasch setzte er sich an seinen Platz und nahm mit der Hand ebenfalls etwas Fett aus dem Kessel.
    „Worüber habt ihr gesprochen?“, fragte Genosse Kriwizkij streng.
    „Ach, sie fragten, ob sie Haus von Butunaj abbrennen dürfen, er ist von Jagd nicht zurückgekommen …“
    „Und, hast du es erlaubt?“, fragte der Vorsitzende von Chulajba weiter.
    „Ja“, nickte der Alte. „Abunajka ist gut, Abunajka erlaubt alles …“
    „Nun, vielen Dank …“ Kriwizkij erhob sich. „Ich muss noch arbeiten … Danke für die Sülze … ich gehe.“
    Etwas unsicher auf den Beinen verließ der Vorsitzende von Chulajba den Balagan und stapfte in seinen hohen Pelzstiefeln durch den still und friedlich daliegenden Schnee.
    Dobrynin und der Komsomolze tranken die zweite Flasche aus. Der Komsomolze brummte beim Trinken unzufrieden über das Einsammeln der Parteibeiträge vor sich hin, nannte es eine „Drecksarbeit“, woraus der längst nicht mehr nüchterne Volkskontrolleur schloss, dass Zybulnik dieser Auftrag nicht gefiel.
    „Wollen wir uns aufwärmen?!“, schlug plötzlich der Alte Abunajka vor. „Da wird es warm, da wird es heiß …“
    „Wo denn“, wollte Dobrynin wissen.
    „Am Feuer

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