Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Streichholz flammte auf, vollzog in der Dunkelheit einen Bogen, traf auf den Docht einer Petroleumlampe, und es wurde zusehends heller. In diesem Licht, das den gesamten Balagan ein wenig erhellte, erschien das faltige Gesicht eines alten Mannes. Die langen, schwarzen Haare mit grauen Strähnen reichten ihm bis zur Schulter und lagen auf dem schmutzigweißen Kragen eines Rentierpelzes auf, der etwas kurz war und unten mit einem schmalen Streifen dunklem Pelz verziert.
„He, wer ist da? Zybulnik?“, fragte der Alte und starrte die beiden aus zusammengekniffenen Augen an. „Meine Augen sehen so schlecht.“
„Ja, Abunajka, ich bin’s mit einem Gast.“
„Und woher kommt Gast?“, fragte der Alte.
„Von weit her, beinahe aus Moskau“, antwortete der Komsomolze.
„Aha“, brummte Abunajka. „Was für weit gereister Gast! Für weit gereister Gast muss man etwas machen …“
„Hör zu, Alter.“ Zybulnik trat geradewegs vor Abunajka hin, holte aus seiner Hosentasche das gewisse gefrorene Pferdeorgan und reichte es dem Herrn des Balagan.
„Mach daraus Sülze, es kann sein, dass Kriwizkij noch kommt. Wir setzen uns einstweilen und warten …“
„Ei-jei-jei …“, schüttelte der Alte den Kopf. „Da braucht man noch drei von Rentieren ... ei-jei-jei … arme Rentiere … na gut, Abunajka kommt bald wieder!“ Der Alte nahm von einem Regal ein großes Messer, das starke Ähnlichkeit mit einer Sichel hatte, verließ den Balagan und ließ Dobrynin und den Komsomolzen allein.
„Hier ist es so kalt wie draußen …“, sagte der Volkskontrolleur. „Heizt er denn nicht ein?“
„Wozu sollte er? Er kann so leben.“
„Und erfriert er nicht?“, wunderte sich Dobrynin.
„Nein. Statt sich am Ofen zu wärmen, trinkt er vor dem Schlafen Wodka aus Milch. Tarasun nennt sich das. Ein starkes Gesöff, aus Rentiermilch und noch irgendetwas anderem gemacht.“
Nachdem sich Pawel ein wenig an die Beleuchtung gewöhnt hatte, sah er sich in der Behausung um, er konnte jedoch nichts Interessantes entdecken. Alle Innenwände waren mit Rentierfellen bedeckt, wobei die Pelzseite nach innen gekehrt war. Der Fußboden war ähnlich ausgelegt, allerdings von brauner Farbe. In einer Ecke lag ein ganzer Berg von Lappen und Fellen und Dobrynin dachte, dass dies das Bett sein musste. Das alles wäre ganz in Ordnung gewesen, wenn da nicht ein beißender, unangenehmer Geruch gewesen wäre, der mit jeder Sekunde stärker und schärfer wurde. Dobrynin hielt es nicht länger aus und musste husten.
„Das vergeht!“, beruhigte ihn Zybulnik. „Das kommt davon, dass er hier Medizin aus Rentierurin herstellt. Das hilft gegen alle Krankheiten, aber nur bei den Einheimischen. Für Russen hat diese Medizin keinen Nutzen. Wahrscheinlich ist der Organismus ein anderer. Aber was für ein Gestank! Sei’s drum, setz dich!“
„Wohin?“, fragte Dobrynin, während er auf den braunen Fußboden blickte.
„Komm, lass uns auf sein Bett setzen!“
Sie gingen in die Ecke, wo der Haufen von Lappen und Fellen lag, und setzten sich darauf.
„Er wird gleich zurück sein, seine Herde ist hier ganz in der Nähe, hinter dem Hügel“, sagte Zybulnik. „Wenn er kommt, dann trinken wir etwas. Dann wird uns wärmer.“
Sie mussten tatsächlich nicht lange auf den Alten warten. Nachdem er zurückgekommen war, entfachte er direkt auf dem Fußboden des Balagan ein Feuer, stellte einen dreibeinigen Ständer darüber und hängte über die noch schwachen Flammen einen Kessel mit Wasser, in den er das Pferdeorgan und noch etwas anderes hineinwarf. Erst danach ging er zu seinen Gästen und sagte:
„Gleich-gleich macht Abunajka Sülze, russischer Mann Kriwizkij wird zufrieden sein …“
„Gib uns Tarasun“, verlangte der Komsomolze vom Alten halb im Scherz. „Es ist so kalt.“
„Tarasun …“ Abunajka nickte und kroch hinter das Bett, verbeugte sich dort, wobei er etwas in seiner Muttersprache murmelte, holte dann eine trübe Glasflasche hervor, die mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt war.
„Tarasun schmeckt gut …“, nickte er, hob mit der zweiten Hand Krüge vom Regal und reichte sie Zybulnik und Dobrynin.
„Nimm, Abunajka schenkt Tarasun ein … Tarasun ist stark … gefriert nicht … weit gereister Gast soll als Erster trinken!“
Dobrynin nippte an seinem Krug und spürte sogleich, wie es angenehm in der Kehle brannte und sich eine säuerliche Wärme nach unten bewegte, direkt in das Innerste des Volkskontrolleurs. Er nahm
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