Der Waisenstern.
gewöhnlich, aber sein Gehör war gut ausgebildet. Um in Drallar zu überleben, mußte man alle seine Sinne bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebrauchen.
Zu seiner Linken diskutierten zwei ältere Thranx über die Möglichkeit von Gen-Manipulationen an Thranx-Eiern. Es ging um den Scorm-Prozeß im Gegensatz zur oppordischen Methode, und das Gespräch drehte sich hauptsächlich um die moralischen Prinzipien einer pränatalen Suggestion, die zu späteren Mutationen führen sollte.
Er vermochte hier nicht ganz zu folgen und wandte daher seine Aufmerksamkeit einer alten Frau mit zwei cremefarbenen Streifen am Ärmel zu, die einer Gruppe von Meßdienern einen Vortrag hielt: zwei Menschen, zwei Thranx. Über den Streifen war ein Wasserstoffatom eingestickt.
»Sie sehen also, wenn Sie die Arbeiten in Betracht ziehen, die in den letzten acht Jahren auf Pluto, Gorisa und Tipendemos durchgeführt wurden, daß weitere Modifikationen des SCCAM-Waffensystems die Belastungsgrenze der Osmiridiumverschalung selbst in Betracht ziehen müssen.«
Ein Bissen Brot und ein weiteres Bruchstück eines Gesprächs, diesmal die Bemerkung eines Mannes in mittleren Jahren mit wallendem weißen Bart, der hinter ihm saß: »Das Produktionsniveau auf Kansastan und Inter-Kansastan im Sektor Bryan läßt erkennen, daß die Getreideproduktion bei entsprechender präatmosphärischer Saat im Laufe der nächsten drei Erntejahre um mindestens zwanzig Prozent gesteigert werden kann.«
Flinx runzelte die Stirn, aber es war nicht das Fehlen jeglicher theologischer Themen, das ihn beunruhigte. Eigentlich vermochte er ja nicht darüber zu urteilen, aber selbst für seinen ungeschulten Wissensstand schien es, daß hier in Gegenwart von Kirchenfremden eine Vielzahl höchst bedeutsamer Angelegenheiten in aller Offenheit diskutiert wurde. Ob dies nun ein Beweis dafür war, daß die Kirche nicht effizient oder nur typisch homanx war, vermochte er nicht zu erkennen. Die Sicherheitsvorkehrungen gingen ihn nichts an. Dennoch beschäftigten sie ihn, während er seine Mahlzeit beendete.
Am folgenden Morgen, als er zu dem Schaltertisch in der Eingangshalle ging, beschäftigte ihn das immer noch. Mona Tantivy hatte Dienst. Sie lächelte, als sie ihn kommen sah. Jetzt herrschte in dem kleinen Saal reger Verkehr, und Kirchenpersonal drängte sich von einem Korridor in den anderen und durch die Eingangstüren aus doppeltem Glas.
»Fertig?« fragte sie.
»Ich möchte das gerne so schnell wie möglich hinter mich bringen«, sagte er in etwas schärferem Ton, als er vorgehabt hatte. Flinx bemerkte, daß seine Hände etwas zitterten, und er gab sich große Mühe, ruhig zu bleiben.
Die Frau verzog tadelnd den Mund. »Jetzt tun Sie doch nicht so, als wollte jemand Ihnen die Schädeldecke abheben und Ihnen in den Kopf sehen.«
»Genauso komme ich mir vor«, erwiderte er grimmig.
Und so war es auch. Flinx war mit einem gestörten Bild seiner selbst aufgewachsen. Wenn er hier keine Abhilfe fand, würde er dieses Kreuz wahrscheinlich ewig mit sich herumtragen.
Die Frau nickte mitfühlend und drückte einen Schalter. Wenige Minuten später kam aus dem nächsten Korridor ein Mensch um die Vierzig, der wie ein Preisringer gebaut war. Sein Lächeln war ein Abbild dessen von Tantivy, und er strahlte dasselbe Bestreben zu helfen aus. Flinx fragte sich, ob diese Einstellung natürlich oder auch Teil eines Instruktionskurses der Kirche war: Fortgeschrittene Persönlichkeitsmanipulation durch traditionelle Gesichtsgestik oder so etwas Ähnliches.
Verärgert versuchte Flinx seinen Sarkasmus zu unterdrücken. Alles, worauf es jetzt ankam, war, das zu sehen, weshalb er hierher gekommen war.
»Ich heiße Namoto«, stellte sich der bullige Orientale mit einem Lächeln vor und gab Flinx die Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Lynx.«
Flinx hob abwehrend die Hand. »Nennen Sie mich erst so, wenn wir das bewiesen haben, bitte nur Flinx.«
Das Lächeln blieb unverändert. »Also gut, wer auch immer Sie sein mögen, kommen Sie mit, dann werden wir ja sehen, ob wir herausfinden, wer Sie sind.«
Nach einem endlosen Marsch durch Korridore und Hallen, der Flinx zwanzig Minuten zu dauern schien, war er völlig desorientiert. »Ich kann mir kaum vorstellen, daß die Kirchenakten eines jeden menschlichen Wesens im Commonwealth... «
»... und eines jeden Thranx«, beendete Namoto den Satz für ihn, »alle in diesem kleinen Gebäude untergebracht sind. Aber so ist es.
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