Der Wald der Könige
Diözese das Gebiet gehörte, war ein treuer Katholik, den man nur mit Mühe hatte überreden können, Heinrichs Herrschaft über die Kirche anzuerkennen. Beinahe wäre er wie Fisher und Moore hingerichtet worden. Als Heinrich die Klöster auflöste, hatten riesige Ländereien den Besitzer gewechselt. Im New Forest hatte es besonders das große Kloster Beaulieu, die Ländereien der Abtei Christchurch im Südwesten, das kleinere Kloster Breamore im Avontal und die bedeutende Abtei Romsey getroffen. Man nahm den Orden die Besitzungen ab, räumte die Gebäude leer und ließ sie verfallen. Für Familien wie die Pitts war das ein schrecklicher Skandal.
Doch die protestantischen Jahre unter dem Kindkönig, die darauf folgten, waren noch unerträglicher verlaufen. Bischof Gardiner wurde zuerst wie ein gewöhnlicher Sterblicher ins Fleet-Gefängnis in London und dann in den Tower geworfen und später unter Hausarrest gestellt. An seiner Statt setzte der protestantische Rat des Königs einen Mann als Bischof ein, der schon dreimal verheiratet gewesen war und nun über drei Bistümer herrschte. Ohne zu zögern verkaufte er einen Teil der Besitzungen von Winchester, um die Familie des Herzogs von Somerset zu bezahlen, der er den Posten verdankte. »Seht ihr«, spöttelte ein Angehöriger der Familie Pitt, »wie die Protestanten in den Kirchen aufräumen?« Und wirklich wurde die Diözese Winchester in den nun folgenden Regierungsjahren Eduards VI. gründlich von allen Reichtümern befreit. Die Kirchen in Hampshire und auf der Insel Wight waren besonders gut ausgestattet gewesen. Nun stürzten sich die protestantischen Reformer mit Jubelgeschrei auf die Beute. Silberne Teller und Kerzenleuchter, Gewänder, Wandbehänge, ja, selbst die Glocken wurden beschlagnahmt. Ein Teil des gewaltigen Diebesgutes verschwand einfach oder wurde gestohlen. Einiges wurde verkauft, und es war schwer zu sagen, in wessen Taschen der Gewinn floss. Auf diese Weise erlöste man die englische Kirche von der Herrschaft des Papstes.
Clement konnte sich nicht an das Verhalten seiner Mutter in jenen Jahren erinnern. Er war zu Anfang der Herrschaft des Kindkönigs geboren worden, doch seine Mutter hatte seinen Vater verlassen, als Clement noch keine drei Jahre alt gewesen war. Clement konnte sich nur ausmalen, welche Belastung es für die Ehe seiner Eltern bedeutet hatte, als sein Vater einige Ländereien aus dem früheren Besitz der Abtei von Beaulieu erwarb. Jedenfalls hatte seine fromme Mutter damals beschlossen, dass sie nicht mehr mit ihrem Gatten unter einem Dach leben konnte, und war zu ihrer Familie auf der anderen Seite von Winchester zurückgekehrt. Sein Vater hatte ihm erzählt, er habe sich geweigert, sie ihren kleinen Sohn mitnehmen zu lassen, und Clement vermutete, dass dies der Wahrheit entsprach.
Nach der Thronbesteigung von Königin Maria und der Wiedereinsetzung von Bischof Gardiner in seine Diözese war seine Mutter zu ihrem Ehemann zurückgekehrt, und Clement hatte sie endlich kennen lernen können. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau, und er war sehr stolz auf sie gewesen. Rückblickend betrachtet fand er, dass es glückliche Jahre gewesen waren. Nie würde er die prachtvolle Kleidung seiner Eltern vergessen, als er sie nach Southampton begleitet hatte, um den spanischen König, den Bräutigam von Maria Tudor, zu begrüßen. Da seine Mutter als fromme Frau galt, waren sie und ihr Mann bei Hofe gern gesehen.
In dieser Zeit wurde ein Kind geboren, Clements Schwester Catherine, ein hübsches kleines Mädchen. Er hatte sie in einem Wägelchen herumgeschoben und sie rasch in sein Herz geschlossen. Dann jedoch war Königin Maria gestorben, und Königin Elisabeth hatte den Thron bestiegen. Kurz darauf war seine Mutter wieder ausgezogen und hatte seine Schwester mitgenommen.
Sein Vater erklärte ihm nie, warum sie gegangen war. Und auch seine Mutter schwieg sich bei ihren Begegnungen darüber aus. Aber Clement konnte sich die Gründe gut vorstellen.
»Tochter einer Hure«, so nannte seine Mutter die Königin. Für einen guten Katholiken war König Heinrichs spanische Gemahlin selbstverständlich bis zu ihrem Tode seine einzige Frau gewesen. Die Farce einer Scheidung und Wiederverheiratung, die die abtrünnige Kirche von England gestattete, war nichts weiter als Betrug. Deshalb galt Königin Anne Boleyn als unverheiratet und ihre Tochter Elisabeth demzufolge als Bastard. Außerdem lehnte Clements Mutter Königin Elisabeths Kirche
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