Der Wald der Könige
strikt ab. Die Kirche, die Elisabeth und ihr Berater Cecil zu schaffen versuchten, war in ihren Augen nichts weiter als ein fauler Kompromiss. Die Königin betrachtete sich nicht als deren geistliches Oberhaupt, sondern nur als Vorstand. Ihre Lehren stellten eine Art reformierten Katholizismus dar. Und was die vertrackte Frage der Heiligen Messe anging – nämlich den Streitpunkt, ob während der Eucharistie tatsächlich ein Wunder stattfand, wodurch sich Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi verwandelten –, so einigte sich die Kirche von England auf eine Formel, die ausweichender nicht hätte sein können.
Doch Lady Albion verlangte klare Verhältnisse. Und das, so nahm Clement jedenfalls an, war auch der Grund ihres Auszugs gewesen. Sein Vater war ein guter Mensch und auf seine Weise durchaus gläubig. Aber die Familie Albion hatte sich schon seit den Tagen des Försters Cola vor fünfhundert Jahren mit den Mächtigen arrangiert, eine Haltung, die Clements Mutter verabscheute. Und da sie ihren Mann dafür verachtete, war sie gegangen. Vielleicht, dachte Clement, war sein Vater darüber sogar erleichtert gewesen.
Allerdings hatte Königin Elisabeths schlauer Kompromiss nicht gereicht, um den Frieden in ihrem Inselkönigreich zu bewahren. Denn die machtvollen religiösen Kräfte, welche die Reformation entfesselt hatte, teilten nun ganz Europa in zwei bewaffnete Lager. Der Krieg, den sie miteinander führten, sollte mehr als hundert Jahre dauern und unzählige Menschenleben fordern. Die Königin von England sah sich von allen Seiten der Kritik ausgesetzt. Sie verurteilte die Grausamkeiten der katholischen Inquisition. Sie trauerte mit ihren protestantischen Untertanen, als französische Katholiken im Jahre 1572 in der Bartholomäusnacht Tausende friedlicher Protestanten niedermetzelten. Und dennoch konnte sie die immer größer werdende Partei der Puritaner in England nicht unterdrücken, die mit Hilfe eines zunehmend radikalisierten Parlaments die Kompromisskirche zerschlagen und die Königin selbst unter Druck setzen wollte. Und auch wenn sie sich am liebsten der wohl geordneten Welt des traditionellen Katholizismus zugewandt hätte, half ihr das auch nicht weiter. Sie konnte ihr Land nicht Rom unterstellen, da der Papst sie nicht nur exkommuniziert, sondern auch alle Katholiken von der Treuepflicht gegenüber ihrer ketzerischen Königin entbunden hatte. Elisabeth durfte das nicht dulden, und deshalb wurde die katholische Kirche in ihrem Reich verboten.
Die Katholiken zettelten keine Revolte an, doch sie unternahmen alles, um ihren Glauben zu bewahren. In manchen Gegenden Südenglands gab es mehr treue Katholiken als in der Diözese Winchester. Gleich nach Elisabeths Krönung waren dreißig Priester von ihrem Posten zurückgetreten, weil sie sich nicht mit ihrer Kompromisskirche abfinden wollten. Viele Angehörige der Oberschicht – Adelige und reiche Kaufleute – standen offen zu ihrem katholischen Glauben. Ein weibliches Mitglied der Familie Pitt wurde vom Bischof wegen Beleidigung in das Gefängnis von Clink geworfen, und Cecil, der Sekretär der Königin, teilte Albion höchstpersönlich mit, er solle dafür sorgen, dass seine Frau sich zurückhielt.
»Ich bin machtlos, sie wohnt nicht unter meinem Dach«, hatte Albion geantwortet. »Allerdings hätte ich deiner Mutter auch nicht den Mund verbieten können, wenn wir zusammengelebt hätten«, vertraute er Clement an. Kurz darauf war sein Vater gestorben, und offenbar hatten die Mächtigen beschlossen, Lady Albion von nun an mit Nichtachtung zu strafen.
Allerdings lebte Clement weiter in Furcht. Er hatte seine Mutter in Verdacht, Irrgläubige bei sich zu verstecken. Auf der Insel Wight und an den Flussläufen unweit von Southampton an der Südküste konnten katholische Priester unbeobachtet an Land gehen. Und die katholischen Adeligen – Dissenter, wie man sie nannte – waren gerne bereit, ihnen Quartier zu geben. Doch inzwischen war es streng verboten, katholischen Priestern Unterschlupf zu gewähren. Vor kurzem hatte man vier von ihnen in der Diözese Winchester ergriffen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Täglich rechnete Clement mit der Verhaftung seiner Mutter, weil sie diesen Priestern geholfen hatte. Sie würde sich nicht einmal die Mühe machen, ihre Vergehen zu leugnen. Und ihre scharlachroten Stickereien waren ein eindeutiges Zeichen ihres Starrsinns.
Als die schottischen Presbyterianer vor zwanzig Jahren die katholische Königin
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