Der Wald der Könige
weiterhin der katholischen Lehre. Und während seiner Regierungszeit wurden auch weiterhin lästige Protestanten hingerichtet.
Erst als sein bedauernswerter, kränklicher Sohn, der Kindkönig Eduard VI. und seine protestantischen Vormünder an die Macht kamen, wurde England die protestantische Religion aufgedrückt. Die heilige Messe wurde verboten, die Kirchen beraubte man ihres papistischen Schmucks. Den Protestanten – zumeist Kaufleute und Handwerker in den Städten – mochte das ganz recht sein, aber die aufrichtigen Katholiken auf dem Lande waren entrüstet.
Sie konnten wieder Hoffnung schöpfen, als der Kindkönig nach sechs Jahren verschied und Heinrichs Tochter Maria den Thron bestieg. Sie war das Kind der so schändlich behandelten spanischen Prinzessin, welche selbst nach Ansicht der englischen Protestanten durch die Scheidung ein schreckliches Unrecht erlitten hatte. Marias größter Wunsch war es, den wahren Glauben ihrer Mutter wieder in ihrem inzwischen heidnisch gewordenen Inselkönigreich einzusetzen. Und wenn sie dazu genügend Zeit gehabt hätte, wäre es ihr wohl auch gelungen.
Leider jedoch war sie bei den Engländern unbeliebt. Sie war eine tragische Gestalt, tief getroffen von dem Verhalten ihres Vaters gegenüber ihrer Mutter und ausschließlich von ihrem Glauben beseelt. Sie sehnte sich nur nach einem frommen katholischen Gatten und reichem Kindersegen. Allerdings fehlte es ihr an Charme, und sie duldete keinen Widerspruch. Sie wies eben keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem Vater auf. Als sie beschloss, den streng katholischen König des mächtigen Spanien zu heiraten – wodurch England gewiss unter spanische Herrschaft gefallen wäre –, legte das englische Parlament Protest ein. Doch sie erwiderte nur, das ginge die Abgeordneten nichts an. Außerdem ließ sie einige Hundert englischer Protestanten auf dem Scheiterhaufen hinrichten.
In den Augen ihrer Zeitgenossen war es nichts Ungewöhnliches, Menschen bei lebendigem Leibe zu verbrennen. Seit dem Spätmittelalter hatte das christliche Abendland eine erstaunliche Schwäche für diese Todesart entwickelt, auch wenn sie in der Heiligen Schrift nirgends angepriesen wurde. Der Brauch hielt sich einige Jahrhunderte lang. Darüber hinaus spielte es in England offenbar keine Rolle, welcher Konfession man sich zurechnete. Katholiken verbrannten Protestanten, und Protestanten verbrannten Katholiken. Der protestantische Bischof Latimer höchstpersönlich führte Aufsicht über einen Vorgang, den man nur als sadistischen Ritualmord an einem älteren katholischen Priester bezeichnen konnte. Die Hinrichtung verlief in derart abstoßender Weise, dass sogar die Zuschauer die Barrieren durchbrachen, um dem schändlichen Exzess Einhalt zu gebieten. Unter Marias Herrschaft kam dann Latimer selbst – wenn auch unter weniger grausigen Umständen – an die Reihe und verdiente sich damit den Ruf als Märtyrer.
Doch auch einfache Bürger, die sich nicht um politische Intrigen scherten und nur an ihren Gott glaubten, endeten auf dem Scheiterhaufen. Und es waren nicht wenige. Bald nannten die Engländer ihre katholische Königin »Bloody Mary«.
Der König von Spanien kam und ging. Aus seiner Verbindung mit Maria erwuchs kein Kind, und die Scheiterhaufen brannten weiter. Maria versuchte sich ein wenig in der Kriegskunst und verlor Calais, die letzte englische Besitzung in Frankreich. Als die arme Frau nach fünf erbärmlichen Jahren auf dem Thron verstarb, hatten die Engländer sie endgültig satt und freuten sich auf die gute Königin Elisabeth.
Entgeistert starrte Clement Albion seine Mutter an.
Machte sie sich selbst etwas vor, oder war sie tatsächlich so furchtlos? Vielleicht hätte sie selbst keine Antwort auf diese Frage gewusst. Nur eines war gewiss: Sie hatte ihre Rolle nun schon so lange gespielt, dass sie darin erstarrt und so steif geworden war wie der Brokat ihres Kleides.
Bei ihrer Hochzeit mit Albion hatte der alte König Heinrich noch gelebt. Sie stammte aus der Familie Pitts, die in der Grafschaft Southampton, wie Hampshire häufig genannt wurde, einigen Einfluss genoss. Da ihr eine große Erbschaft von einem Vetter bevorstand, hatte Albion geglaubt, eine äußerst gute Partie gemacht zu haben. Und zu Anfang hatte er kein großes Problem darin gesehen, dass sie, wie alle Pitts, sehr fromm war.
Die Krise unter Heinrich VIII. hatte in der Grafschaft Southampton Entsetzen ausgelöst. Bischof Gardiner von Winchester, zu dessen
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