Der Wald der Könige
Maria Stuart aus ihrem eigenen Königreich geworfen hatten, hatten alle Katholiken auf einen Weg gesonnen, wie man mit Marias Hilfe ihre ketzerische englische Base vom Thron jagen könne. Die störrische Verbannte, die in England unter Hausarrest stand, schmiedete Pläne, was das Zeug hielt, bis Elisabeth zu Anfang des Jahres 1587 von ihrem eigenen Rat mehr oder weniger gezwungen wurde, sie hinrichten zu lassen.
»Sie ist eine katholische Märtyrerin«, hatte Lady Albion sofort verkündet. Und eine Woche später hatte sie anlässlich eines Besuches bei ihrem Sohn das Scharlachrot der Märtyrer zur Schau getragen.
»Musst du unbedingt den Rat der Königin und den Bischof auf diese Weise öffentlich beleidigen?«, beklagte Clement sich bei ihr.
»Ja«, erwiderte sie schlicht. »Wir müssen.«
Wir. Genau das war das Problem. Wenn seine Mutter mit ihm über gefährliche Dinge sprach, sagte sie stets »wir« – wie um ihm mitzuteilen, dass er ihrer Ansicht nach ebenfalls in die Sache verwickelt war.
Vor zehn Jahren hatte seine Mutter endlich das große Vermögen ihres Vetters geerbt. Nun war sie eine wohlhabende Frau, die ihren Reichtum vermachen konnte, wem sie beliebte. Sie und Clement erwähnten diesen Umstand nie. Dass er sich nur um des Geldes willen für die gerechte Sache einsetzte, war undenkbar. Und ebenso wenig kam es in Frage, ehrlich auszusprechen, dass sie ihn anderenfalls auf der Stelle enterben würde. Nur einmal war eine leichte Andeutung gefallen, als Clement erwähnte, dass sein Vater vor seinem Tode in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sei. »Deinem Vater konnte ich nicht helfen, Clement. Er war ein Schilfrohr im Wind.« Und Clement glaubte, aus diesen Worten das unerbittliche Urteil herauszuhören, dass Armut verdiente, wer Lady Albion enttäuschte.
Also nahm er das »wir« unwidersprochen hin. Dass er von ihr noch keinen Penny erhalten hatte, dass er inzwischen verheiratet und Vater von vier Kindern war und dass er, falls er sich den Zorn des königlichen Rats zuzog, gewiss die Posten im New Forest verlieren würde, mit denen er sein bescheidenes Auskommen bestritt – diese Überlegungen mussten natürlich zurücktreten, wenn er bei ihr nicht in Ungnade fallen wollte. Denn immerhin standen sie beide vor dem Richterstuhl des allmächtigen Gottes.
»Was wünschst du von mir, Mutter?«, brachte er schließlich heraus.
»Ein paar Worte unter vier Augen mit dir zu sprechen. Bei der Hochzeit war das nicht möglich.« Die Hochzeit in Salisbury war ein rauschendes Fest gewesen. Eine Nichte seiner Mutter hatte in eine angesehene Sarumer Familie eingeheiratet. Es wäre wirklich schwierig gewesen, sich ohne Ohrenzeugen zu unterhalten.
»Ich habe einen Brief bekommen, Clement.« Sie hielt inne und betrachtete ihren Sohn ernst. Beklommen fragte er sich, worauf sie hinauswollte. »Er ist von deiner Schwester aus Spanien.«
Spanien. Warum nur hatte seine Mutter darauf bestanden, seine Schwester mit einem Spanier zu verheiraten? Eigentlich eine alberne Frage. Selbst die Franzosen waren in den Augen seiner Mutter verglichen mit den Spaniern nachlässig in religiösen Fragen. Und als sich König Philipp von Spanien zu Maria Tudors Regierungszeit mit seinen Höflingen in England aufhielt, hatte sie keine Zeit verloren und Freundschaften mit spanischen Adeligen angeknüpft. Kurz nach dem fünfzehnten Geburtstag seiner Schwester Catherine war Lady Albion dann in Southampton an Bord eines Handelsschiffes gegangen und Hals über Kopf nach Spanien abgereist. Dort war im Handumdrehen eine Ehe angebahnt worden. Ausgestattet mit einer zweifellos ansehnlichen Mitgift hatte Catherine einen Spanier aus verarmter, aber gut beleumundeter Familie geheiratet. Der Bräutigam war sogar entfernt mit dem mächtigen Herzog von Medina Sidonia verwandt.
Seitdem hatte Clement sie nicht wieder gesehen. War sie glücklich? Er hoffte es. Er versuchte, sie sich vorzustellen. Während er das helle Haar seines Vaters geerbt hatte, war sie dunkel wie ihre Mutter. Wahrscheinlich hatte sie sich inzwischen völlig in eine spanische Dame verwandelt. Und in diesem Fall gab es wohl keinen Zweifel daran, wie sie die augenblickliche Krise einschätzte, dachte er bedrückt.
Als König Philipp II. von Spanien die katholische Maria Tudor heiratete, hatte er selbstverständlich erwartet, England seinem riesigen habsburgischen Reich einverleiben zu können. Zu seiner Enttäuschung hatte ihm der englische Rat nach Marias Tod höflich, aber
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