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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hörte, schwankte sie zwischen Freude und ängstlicher Erwartung. Sie drehte sich um und erkannte Edgars schlanke Gestalt und sein freundliches Gesicht. Er galoppierte auf sie zu.
    »Hat man Euch nicht gewarnt«, meinte er lachend, als er sie erreicht hatte, »dass Ihr nicht allein auf die Hirschjagd gehen sollt?« Adela war nun doch erleichtert, dass er gekommen war.
    Sein Französisch war einigermaßen passabel, und Adela hatte, dank ihres angelsächsischen Kindermädchens früher, ein Ohr für fremde Sprachen. Es war ihr noch nie schwer gefallen, sich mit den Engländern zu verständigen, und die beiden konnten sich gut unterhalten. Es dauerte nicht lange, bis er ihre Bedenken zerstreut hatte. »Puckle«, erklärte er, als sie ihn fragte, wie er sie gefunden habe. »Er sagte mir, Ihr wärt nach Süden geritten. Und da Euch in Brockenhurst niemand gesehen hat, vermutete ich, Ihr hättet diesen Weg genommen.«
    Also hieß der seltsame Mann Puckle.
    »Er macht einen recht geheimnisvollen Eindruck auf mich«, meinte sie.
    »Ja«, erwiderte Edgar lächelnd, »das ist er auch.«
    Als sie ihm ihre Angst gestand, den anderen Jägern gegenüberzutreten, beruhigte er sie. »Wir suchen die Hirsche aus, die wir töten. Ihr hättet meinen Vater nur darum zu bitten brauchen, die hübsche Hirschkuh zu verschonen. Es wäre sogar Eure Pflicht gewesen, ihn zu fragen.« Sie lächelte verlegen bei der Vorstellung, wie sie in Gegenwart aller Jäger um das Leben eines Hirsches flehte. Doch er hatte ihre Gedanken gelesen und fügte sanft hinzu: »Natürlich müssen die Hirsche getötet werden, aber ich finde es dennoch schrecklich.« Er schwieg eine Weile. »Es liegt daran, wie sie zu Boden fallen, so voller Anmut. Ihre Seele verlässt den Körper. Jeder, der schon einmal einen Hirsch erlegt hat, weiß das.« Diese Worte sprach er so schlicht und offen aus, dass es sie rührte. »Es ist heilig«, sagte er, so abschließend, als ob dem nichts hinzuzufügen wäre.
    »Ich frage mich«, meinte sie nach einer Pause, »ob Hugh de Martell das ebenso empfindet.«
    »Wer weiß?« Edgar zuckte die Achseln. »Ich jedenfalls traue ihm solche Bedenken nicht zu.«
    Nein, ganz sicher nicht. Adela hielt Martell nicht unbedingt für einen feinfühligen Menschen. Ein stolzer normannischer Grundherr hatte keine Zeit für derartige Empfindsamkeiten.
    »Er war nicht damit einverstanden, dass ich mit auf der Jagd war. Vermutlich gilt das auch für Euren Vater.«
    »Meine Mutter und mein Vater sind stets zusammen auf die Jagd geritten«, antwortete Edgar leise. »Als sie noch lebte.« Sofort sah Adela vor ihrem geistigen Auge ein schönes Paar, das elegant durch den Wald trabte.
    »Eines Tages«, fügte Edgar nachdenklich hinzu, »werde ich es hoffentlich genauso halten.« Er lachte auf. »Kommt, wir reiten entlang der Heide zurück.«
     
     
    Und so geschah es, dass die beiden Reiter, die am Rand der Heide entlanggaloppierten, den Weiler Oakley erreichten und mit Godwin Pride zusammentrafen, der verbotenerweise am helllichten Tag seinen Zaun verschob.
    »Verdammt«, murmelte Edgar. Aber es war zu spät, um so zu tun, als hätte er den Mann nicht bemerkt. Er hatte ihn auf frischer Tat ertappt.
    Godwin Pride richtete sich zu voller Größe auf. Mit seinen breiten Schultern und dem prächtigen Bart erinnerte er an einen keltischen Häuptling, der dem Steuereintreiber gegenübertritt. Und wie ein weiser keltischer Häuptling wusste er auch, dass das Spiel vorbei war und dass ihn in dieser Lage nur eines retten konnte: Unverfrorenheit. Auf Edgars Frage – »Was tust du da, Godwin?« – erwiderte er deshalb in aller Seelenruhe: »Ich flicke diesen Zaun, wie Ihr seht.«
    Diese Antwort war so frech, dass Edgar fast in lautes Gelächter ausgebrochen wäre. Leider war diese Angelegenheit überhaupt nicht zum Lachen. »Du hast den Zaun verschoben.«
    Pride überlegte. »Früher stand er weiter vorne«, entgegnete er ungerührt. »Aber wir haben ihn vor Jahren zurückversetzt. Wir brauchten nicht so viel Platz.«
    Der Mut dieses Mannes war beachtlich.
    »Unsinn«, sagte Edgar barsch. »Du kennst das Gesetz. Das ist purpresture. Dafür kannst du vor Gericht kommen.«
    Pride betrachtete ihn wie eine lästige Fliege. »Das sind normannische Wörter. Ich weiß nicht, was sie bedeuten. Ganz im Gegensatz zu Euch natürlich«, fügte er hinzu.
    Dieser Hieb hatte gesessen. Edgar errötete. »Es ist das Gesetz«, wiederholte er bedrückt.
    Godwin Pride fixierte Edgar, gegen

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