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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sodass die heranstürmenden Hirsche wie durch einen schmalen Trichter in die Falle geleitet wurden. Der raffinierte Plan nötigte Adela Bewunderung ab.
    Nachdem Cola ins Horn gestoßen hatte, stieg er auf den Hügel. Von diesem Beobachtungsposten aus konnte er wie ein Feldherr das ganze Getümmel im Auge behalten. Alle Reiter hatten ihre Anweisungen erhalten. Zu Adelas Enttäuschung verabschiedete sich jetzt Edgar von ihr, sodass sie mit Walter und vier weiteren Männern losreiten musste.
    Sie waren keinem besonders ereignisreichen Posten zugeteilt worden, denn das erste Rudel sollte aus dem südöstlichen Bereich herangetrieben werden. Hier erstreckte sich die Heide jenseits der Palisade wie ein breites Band etwa drei Kilometer nach Südosten. Auf der anderen Seite ragten dunkle Waldstücke wie Finger in die Ebene hinein. Während die Reiter die Hirsche aus den Wäldern trieben, hatten Adela und ihre Begleiter die Aufgabe, sich in einer Reihe vor dem Zaun zu verteilen, damit keines der Tiere im letzten Augenblick einen Ausbruchsversuch unternahm. Adela vermutete, dass sie hier wahrscheinlich nur untätig herumstehen würden. Als die Reiter in den Wäldern verschwanden, machte sie sich auf eine lange Wartezeit gefasst.
    Aus reiner Langeweile fragte sie Walter, worüber er denn mit Martell gesprochen habe. Ihr Vetter verzog das Gesicht. »Über nichts Besonderes.« Nach einer längeren Pause fügte er hinzu: »Wenn du es unbedingt wissen musst: Er hat sich erkundigt, warum ich eine Frau auf die Jagd mitbringe.«
    »Missbilligt er es?«
    »Mehr oder weniger.«
    Adela überlegte, ob Walter das nur erfunden hatte, um sie zu ärgern. Nachdem sie ihn prüfend gemustert hatte, gelangte sie jedoch zu dem Schluss, dass er offenbar die Wahrheit sagte. Sie war wütend auf den hochmütigen Normannen. Also war sie ihm doch aufgefallen. Zum Teufel mit ihm!
    Die Zeit verging, ohne dass sie und Walter noch ein Wort miteinander wechselten. Hin und wieder hörte Adela aus dem Wald gedämpftes Johlen und Rufen. Schließlich herrschte Schweigen. Dann, endlich, sah sie, dass sich zu ihrer Rechten etwas auf der Heide bewegte.
    Ein Rudel Hirsche stürmte aus seiner Deckung. Es waren acht an der Zahl. Sie näherten sich der Heide und liefen aufgescheucht hin und her. Kurz darauf erschienen drei Reiter, dann noch zwei, im vollen Galopp, die sich rechts hielten, um die Tiere einzukreisen. Wenig später preschten zwei weitere Reiter auf die andere Seite hinüber. Die Hirsche, die spürten, dass sie in die Zange genommen werden sollten, liefen über die Heide auf Adela und ihre Begleiter zu.
    Obwohl sie Haken schlugen, war ihre Geschwindigkeit atemberaubend, und sie hatten die Strecke binnen weniger Minuten hinter sich gebracht. Die Reiter hetzten ihnen nach, galoppierten über die Heide und wichen dem Erdhügel so geschickt aus, dass Adela sich zurückhalten musste, nicht Beifall zu klatschen. Dann tauchte eine weitere Gruppe auf; die Herde, die sie vor sich hertrieb, bestand aus zwei Dutzend Tieren. Darauf folgte eine und noch eine. Erst jetzt mussten Adela und die fünf Männer laut schreien und mit den Armen rudern, um einige Hirsche am Ausbruch zu hindern. Die Jagd hätte nicht besser geplant sein können. Als alle zusammengerufen wurden, befanden sich mehr als siebzig Hirsche im Pferch.
    Kurz danach verkündete Cola, man würde nun die Wälder oberhalb von Lyndhurst durchkämmen. Zu Adelas Freude gesellte sich gleich darauf Edgar zu ihr und meinte mit einem Grinsen: »Diesmal reitet Ihr mit mir.«
    Sie wusste nicht, wie lange sie ihre Pferde durch den Wald geführt hatten, als sie die Lichtung erreichten, wo sie auf Edgars Anweisung warten mussten. Sie hörte die anderen Gruppen von Jägern zwischen den Bäumen umherlaufen und bemerkte, dass Edgar im Sattel zusammenzuckte. Und dann, plötzlich, war, kaum dreißig Meter vor ihnen, ein Krachen zu vernehmen. Ein kleines Rudel Hirschkühe galoppierte aus dem Wald hervor auf die Heide. Im ersten Moment war Adela fast so erschrocken wie die Tiere. Als die Hirsche davonstürmten, bemerkte sie, dass eine der jungen Kühe heller gefärbt war als die anderen. Dann setzten die Jäger johlend und schreiend dem Rudel nach und trieben es durch den Wald vor sich her.
    Da Adela ein wenig hinter der Gruppe zurückgeblieben war, konnte sie gut beobachten, was nun geschah. Rechts von ihnen war wie aus heiterem Himmel ein Rudel Böcke aufgetaucht. An der Spitze der Verfolger erkannte sie Hugh de Martell. Die

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