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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sich vermeiden lässt.« Und so war die mächtige Armada gemächlich weitergesegelt.
    In jener Nacht jedoch waren die englischen Schiffe aus dem Hafen von Plymouth gerudert und hatten sich richtig zum Wind gestellt. Und nun waren sie der spanischen Flotte auf den Fersen wie ein Rudel Bluthunde.
    Die Engländer griffen fast ununterbrochen an. Die spanischen Galeonen mit ihren hohen Brücken am Vorder- und Achterdeck und ihren vielen Soldaten würden den Kampf sicher gewinnen, wenn die Engländer sich zu nah heranwagten. Deshalb umkreisten die Engländer sie, schlugen Haken und deckten die Feinde mit Salven von Kanonenfeuer ein. Die Spanier zahlten es ihnen mit gleicher Münze heim. »Sie scheinen viel öfter zu feuern«, meinte Don Diego zum Kapitän.
    »Das ist richtig. Unsere Mannschaften sind gewöhnt, nur ein- oder zweimal zu schießen, dann beizudrehen und Mann gegen Mann zu kämpfen. Die englischen Schiffe hingegen sind als Kanonenstützpunkte gebaut. Deshalb schießen sie immer weiter. Und sie haben die schwereren Kanonen«, fügte er bedrückt hinzu.
    Doch am meisten fiel Don Diego die unterschiedliche Geschwindigkeit der englischen und spanischen Schiffe auf. Fälschlicherweise hatte er angenommen, dass die englischen Schiffe kleiner sein würden – doch einige davon übertrafen die spanischen Galeonen sogar an Größe. Allerdings waren ihre Maste anders angeordnet, und man hatte auf die hinderlichen Brücken verzichtet. Sie waren nicht fürs Entern und Kämpfen gebaut; ihr Ziel war überlegene Geschwindigkeit. Während eine traditionelle Seeschlacht im Mittelalter eigentlich nur eine Fortsetzung des Bodenkrieges mit anderen Mitteln gewesen war, verließ sich die englische Marine fast ausschließlich auf ihre Artillerie. Wenn die Spanier versuchten, sie einzuholen und zu entern, was einige Male geschah, segelten die Engländer einfach davon.
    Der Herzog von Medina Sidonia hatte es ihnen nicht leicht gemacht. Die Armada war in Formation in den Ärmelkanal eingefahren – ein gewaltiger Halbmond von mehr als zehn Kilometern Durchmesser, die Ränder geschützt von den Schiffen, die über die schwerste Bewaffnung verfügten. Die verwundbaren Transportschiffe befanden sich in der Mitte. So konnten die Engländer, die von hinten angriffen, so manchen Erfolg verbuchen. Am Sonntag, drei Tage zuvor, hatten sie einigen Nachzüglern schwere Schäden zugefügt, und am nächsten Tag eroberten sie ein paar davon. Der Kommandant einer Galeone, Don Pedro de Valdez, deren Takelage beim Zusammenstoß mit einem anderen Schiff beschädigt worden war, ergab sich kampflos Sir Francis Drake. Danach jedoch befahl der Herzog den Schiffen an den Flanken zurückzubleiben. So segelte die gewaltige Flotte wie eine schwimmende Festung den Ärmelkanal hinauf.
    In dieser neuen Formation war die Armada fast nicht aufzubrechen. Die Spanier konnten die Engländer zwar nicht einholen, doch diese scheiterten bei dem wiederholten Versuch, Lücken in die Reihen der Feinde zu schlagen.
    »Vorsicht«, hatte man die spanischen Kapitäne gewarnt. »Die englischen Kanoniere zielen auf die Wasserlinie.« Und am Dienstag hatten die Engländer vor der südlichen Landzunge von Portland aus die Spanier aus vollen Rohren beschossen. Trotz der vielen Gefallenen gab es nur bemerkenswert geringe Sachschäden, was zum Teil daran lag, dass die Engländer sich nicht nah genug an den Feind heranwagten. Ein weiterer Grund, den die Untertanen des Inselkönigreiches nie erfahren sollten, lag auf der Hand, und Don Diego sprach ihn gegenüber seinen Mitstreitern wie folgt an: »Ein Glück, dass diese Engländer keine allzu guten Schützen sind.«
    Allerdings war die Armada nicht völlig unbesiegbar. Und ein kleiner Erfolg der englischen Kanoniere gab Don Diego nun die Möglichkeit, zu Ruhm und Ehre zu gelangen.
    Als Albions Mutter ihrem Sohn erzählte, sein Schwager sei ein bedeutender Kapitän bei der spanischen Marine, hatte sie wie fast immer übertrieben. Catherine hatte ihrer Mutter nur geschrieben, ihr Gatte Don Diego hoffe auf ein Kommando. Doch bei der gottesfürchtigen Lady Albion liefen Hoffnung und Wahrheit auf dasselbe hinaus.
    In Wahrheit war Don Diegos Werdegang mehr oder weniger bescheiden. Er hatte gute Manieren, und er liebte seine Frau, seine Kinder und seine Güter. Und wie jeder wahre Edelmann sehnte er sich danach, sich in der Schlacht zu beweisen, obwohl die Freude am beschaulichen Familienleben ihn bislang daran gehindert hatte, dieses Ziel

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