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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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der Überzeugung. »Nur Bäume«, meinte er zu Fanny, »die angeblich keine Seele haben, bekommen nach dem Fällen noch ein zweites Leben. Manchmal, wenn ich hier unten bin, fühle ich mich, als wäre ich im Inneren eines Baumes.« Eifrig und ein wenig verlegen lächelte er sie an. »Es ist komisch und wahrscheinlich albern. Aber ich bin eben kein gebildeter Mann.«
    »Ich finde es gar nicht albern«, antwortete Fanny freundlich. Doch sie ging nicht weiter auf das Thema ein, denn Mr. Gilpins Hüsteln wies darauf hin, dass er und Mr. Adams genug hatten. Kurz darauf stand sie wieder draußen im hellen Sonnenlicht.
    Louisa wollte sich vor Lachen ausschütten. »Ich muss sagen«, rief sie aus, »dass dieser merkwürdige Kerl selbst aussieht wie ein Baum. Meinen Sie nicht auch, Mr. Martell?«
    »Mag sein«, stimmte er schmunzelnd zu.
    »Aber mir hat gefallen, was er gesagt hat.« Fanny sah Mr. Martell Hilfe suchend an.
    »Ja, Miss Albion«, erwiderte er. »Seine theologischen Kenntnisse stehen zwar auf tönernen Füßen, doch auch diese Bauern sind auf ihre Art weise.«
    »Kaum zu fassen«, beharrte Louisa, »dass ein solches Geschöpf überhaupt ein Mensch ist. Für mich sieht er eher aus wie ein Troll oder ein Gnom. Bestimmt lebt er in einer Erdhöhle.«
    »Als guter Christ muss ich dem widersprechen«, entgegnete Martell lachend. »Allerdings weiß ich, was Sie meinen, meine liebe Miss Totton.«
    Es war Zeit zum Aufbruch. Die Tottons und Martell wollten die Straße nehmen, die an Sowley vorbei nach Lymington führte. Mr. Gilpin beabsichtigte, über die Heide zu der Furt oberhalb von Haus Albion zu fahren.
    Bevor sie sich voneinander verabschiedeten, nahm Mr. Martell zärtlich Fanny beiseite. »Mein Aufenthalt hier neigt sich dem Ende zu, Miss Albion«, sagte er leise, »aber ich werde sicher wiederkommen. Hoffentlich treffe ich Sie dann hier an, denn ich würde Ihnen gern meine Aufwartung machen.«
    »Selbstverständlich, Mr. Martell. Allerdings fürchte ich, dass ich für das Benehmen meines Vaters nicht garantieren kann.«
    »Ich verspreche Ihnen, Miss Albion« – bei diesen Worten sah er ihr unverwandt in die Augen –, »dass ich bereit bin, mich seinem Zorn zu stellen.«
    Sie neigte den Kopf, um ihr Schmunzeln zu verbergen. »Dann kommen Sie mich besuchen, Sir«, erwiderte sie leise.
    Kurz darauf saß sie mit dem kleinen Nathaniel und Mr. Gilpin in der Kutsche und holperte über die Heide. Der Wind wehte ihr ins Gesicht, und sie war überglücklich.
     
     
    Nachdem die Besucher fort waren, blieb Puckle noch eine Weile unten im Schiff. Die Tottons verabscheute er, doch das Gespräch mit Miss Fanny Albion hatte er genossen. Ihm gefiel der Ausdruck ihrer blauen Augen. Nun war er wieder allein und sah sich traurig in dem großen, hölzernen Raum um. Ständig gingen ihm dieselben quälenden Gedanken durch den Kopf:
    In ein paar Monaten würde Miss Albion noch immer hier im New Forest leben. Und wo würde er dann sein? Ganz allein in der Fremde.
    Was hatte er nur getan? Konnte er noch etwas dagegen unternehmen?
     
     
    Die Kutsche hielt vor Haus Albion. Mr. Gilpin half Fanny beim Aussteigen und begleitete sie zur Tür. Dort angekommen, blieb er stehen und merkte beiläufig an: »Übrigens wollte ich Ihnen noch etwas sagen, Fanny. Erinnern Sie sich an unser Gespräch über die Ehe Ihrer Großmutter?«
    »Ja, natürlich«, antwortete sie fröhlich. »Wir wollten doch zusammen nachschlagen.«
    »Ganz richtig. Und als ich vor einer Weile zufällig etwas im Gemeinderegister in Lymington überprüfen musste, habe ich mir die Freiheit genommen, ein wenig zurückzublättern und in den Listen zu stöbern.«
    »Und haben Sie etwas gefunden?«, fragte sie aufgeregt.
    »Ja, ich denke schon.« Er hielt inne. »Es wird Sie überraschen, vielleicht sogar schockieren.«
    »Oh?«
    »Natürlich sind solche Verbindungen in vielen Familien, insbesondere in der mütterlichen Linie, nicht selten. Sie wären erstaunt, wie häufig es vorkommt.«
    »Bitte erzählen Sie, Mr. Gilpin.«
    »Offenbar, Fanny, hat Mr. Totton, der Vater Ihrer Mutter, bei seiner zweiten Verehelichung eine gewisse Miss Seagull aus Lymington geheiratet. Wie Sie sicher wissen, ist diese Familie in der Stadt gut bekannt.«
    »Meine Großmutter, die alte Dame, die mir das hier geschenkt hat« – sie betastete das hölzerne Kruzifix an ihrem Hals –, »war eine geborene Seagull?«
    »Ja.«
    »Also stammte sie nicht aus einer adeligen Familie. Nicht einmal aus einer

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