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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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geheimnisvollen Andeutung meinte. Und genau das war auch Mr. Grockletons Absicht. Allerdings bewegte ihn diese Überlegung dazu, ein Thema anzusprechen, das ihn in letzter Zeit immer häufiger bewegte. »Hast du je daran gedacht, Mrs. Grockleton, dass wir Lymington vielleicht eines Tages verlassen müssen?«
    »Lymington verlassen?« Als sie ihn ansah, schien sie zunächst durch ihn hindurchzublicken. »Von hier fortgehen?«
    »Die Möglichkeit besteht.«
    »Aber Zollinspektoren werden doch nie versetzt, Mr. Grockleton. Du hast einen dauerhaften Posten.«
    Ein Posten wie der von Mr. Grockleton führte für gewöhnlich weder zu Beförderungen noch zu Versetzungen. Man behielt ihn, bis man in den Ruhestand ging. »Wahr, meine Liebe. Allerdings könnten wir uns aus freien Stücken für einen Umzug entscheiden.«
    »Das werden wir nicht tun, Mr. Grockleton.«
    »Was wäre«, begann er zögernd, »ich weiß zwar nicht, ob es eintreten wird, aber was wäre, Mrs. Grockleton, wenn wir zu etwas Geld kämen?«
    »Zu Geld? Woher denn, Mr. Grockleton?«
    »Habe ich dir je von meinem Cousin Balthazar erzählt, meine Liebe?« Diese Frage war ein wenig hinterhältig, da Grockleton besagten Verwandten erst am Vortag erfunden hatte.
    »Ich glaube nicht, nein, ich bin mir ganz sicher. Was für ein seltsamer Name.«
    »Nicht für jemanden, der eine holländische Mutter hat«, erwiderte er ruhig. »Mein Cousin Balthazar hat in Ostindien ein großes Vermögen gemacht, sich im Norden zur Ruhe gesetzt und führt dort ein Einsiedlerleben. Er hat keine Kinder. Offenbar bin ich sein einziger Verwandter. Wie ich gehört habe, leidet er an einer Krankheit, von der er sich vermutlich nicht mehr erholen wird. Also besteht die Möglichkeit, dass ich das Vermögen erbe.«
    »Aber, Mr. Grockleton, warum hast du ihn nie erwähnt? Du musst ihn sofort aufsuchen.«
    »Besser nicht. Er hasste meinen Vater wie die Pest, obwohl er zu mir als Kind immer sehr gütig war. Ich habe ihm vor einem Jahr geschrieben. Er antwortete mir zwar sehr freundlich, stellte aber unmissverständlich klar, dass er keine Besucher wünschte. Wahrscheinlich ist er wegen seiner Krankheit kein sehr hübscher Anblick. Wenn er stirbt und mich in seinem Testament bedacht hat, werden sich, wie ich bereits sagte, unsere Umstände verändern. In diesem Fall werde ich mich aus dem Berufsleben zurückziehen.«
    Er musterte sie prüfend und war sehr mit sich zufrieden. Anscheinend glaubte sie ihm, und das war wichtig, denn der letzte Teil seiner Ausführungen entsprach der Wahrheit.
     
     
    Es war die Unterredung mit Puckle, die ihn zu diesem Entschluss gebracht hatte. Beim Anblick der verängstigten Miene des Mannes, die zweifellos gute Gründe hatte, hatte er sich ausgemalt, wie sich die Schmuggler im New Forest wohl an ihm rächen würden, wenn er seinen Plan in die Tat umsetzte. Möglicherweise würden sie sich einschüchtern lassen und ihm von nun an mit Respekt begegnen; vielleicht würde sich die Bande sogar auflösen. Doch Grockleton war zu klug, um darauf zu vertrauen. Nein, er ging eher davon aus, dass man ihn irgendwann im Laufe der Tage und Wochen nachts in einen Hinterhalt locken und ihm als Vergeltung für all die Unannehmlichkeiten eine Kugel in den Kopf jagen würde. Also hatte er sich die Frage gestellt, ob er es darauf ankommen lassen wollte. Und die Antwort darauf war ein eindeutiges Nein. Er war mutig genug, sich mit den Schmugglern anzulegen – und wenn er Erfolg hatte, würde er ein kleines Vermögen besitzen. In diesem Fall wollte er sich Puckle zum Beispiel nehmen, seinen Profit einstreichen, aus der Gegend verschwinden und seinen Ruhestand genießen. Niemand würde ihm daraus einen Vorwurf machen. Außerdem kümmerte ihn die Meinung seiner Mitmenschen offen gestanden inzwischen nur noch wenig.
    Allerdings konnte er seiner Frau schlecht reinen Wein einschenken, denn er traute ihr nicht zu, ein solches Geheimnis für sich zu behalten. Also hatte er Cousin Balthazar und die Erbschaft erfunden, um sie darauf vorzubreiten, dass sich ihre Lebensumstände möglicherweise ändern würden. Nun musterte er sie forschend. Nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
    »Aber, mein lieber Mann. Falls es zu diesem glücklichen Ereignis kommen sollte und du wirklich reich wirst, gibt es doch keinen Grund, aus Lymington fortzuziehen. Wir könnten weiter hier leben, nur ein wenig stilvoller. Ja, ich verspreche dir, in einem wirklich

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