Der Wald der Könige
wird dann die Küste entlang nach Portsmouth geschleppt und dort auf der Werft der Marine bestückt. Das kleinere Schiff daneben ist ein Handelsschiff, das für den Westindienhandel bestimmt ist. Es wird nächstes Jahr fertig. Und der kleine Bursche auf dem dritten Dock ist ein Fünfzig-Tonnen-Leichter für die Marine. Bei dem Handelsschiff steht bereits das gesamte Gerippe.«
»Bauen Sie auch große Kriegsschiffe?«, erkundigte sich Fanny.
»Ja, Miss Albion, allerdings nur selten. Das größte, das wir gebaut haben, war die Illustrious vor fünf Jahren. Ein Ungeheuer mit vierundsiebzig Kanonen. Das meiner Ansicht nach schönste Schiff, das je hier vom Stapel gelaufen ist, war die Agamemnon mit vierundsechzig Kanonen.« Er schmunzelte. »Die Seeleute tun sich mit dem Namen ein bisschen schwer.«
»Verfolgen Sie, was aus den Schiffen wird, nachdem sie das Dock verlassen haben?«
»Wir versuchen es. Die Agamemnon zum Beispiel wurde einem neuen Kapitän unterstellt, der Horatio Nelson heißt.« Er zuckte die Achseln. »Von dem habe ich noch nie gehört.« Er sah sich um, auch die anderen zuckten die Achseln. »Nun«, fuhr er fort. »Möchten Sie an Bord der Cerberus gehen?«
Puckle war allein im Zwischendeck. Bis vor kurzem hatte ein Hämmern davon gekündet, dass die letzten Decksplanken angebracht wurden. Doch inzwischen hatte der Lärm aufgehört. Es war still auf dem Schiff.
Durch die Schießscharten fiel Licht hinein, und das Schiff wirkte wegen der plötzlichen Ruhe unheimlich und verlassen.
Der Raum zwischen den beiden Decks war bis auf einige Raumstützen leer, keine Trennwände, keine Kanonen, keine Vorräte für die Kombüse, keine Hängematten, Taue oder Truhen. Das Schiff würde erst in Portsmouth ausgerüstet werden. Puckle sah um sich herum nur Holz. Ein Holzboden, hölzerne, dreißig Meter lange Wände. Im Dämmerlicht konnte er die Maserung erkennen; der Duft des Holzes und der scharfe Geruch des zum Versiegeln verwendeten Pechs stiegen ihm in die Nase. Wo das Deck auf den Rumpf traf, waren die Ecken mit Winkeln aus Eichenästen verbunden. Puckle war, als befänden sich nicht Planken über seinem Kopf, sondern ein ausladendes Blätterdach, und er fühlte sich so still und friedlich, als wäre er im Wald gewesen. Dann hörte er Schritte. Mr. Adams und seine Gäste stiegen die Leiter vom Deck hinunter.
Ein komisch aussehender Bursche, dachte Martell: gebeugte Schultern, struppiges, braunes Haar und ein Gesicht, das an Eichenrinde erinnerte. Die Besucher kletterten, einer nach dem anderen, die Leiter hinab und sahen den Schiffsarbeiter an.
Mr. Adams, der als Letzter folgte, nickte ihm kurz zu. »Er heißt Puckle«, erklärte er. »Ich glaube, er ist schon seit fünfzehn Jahren bei uns.«
»Siebzehn, Sir«, verbesserte Puckle.
»Puckle.« Edward lachte auf. »Ein seltsamer Name.«
»Das ist ein guter alter Name aus dem New Forest«, fiel Fanny ihm ins Wort, denn sie fand, dass sich ihr Cousin unhöflich betrug. »Die Puckles leben gewiss schon so lange im New Forest wie die Albions. Zumeist drüben in Burley, richtig?«, fragte sie ihn mit einem freundlichen Lächeln.
»Das stimmt.« Puckle kannte Miss Albion, und er hatte sie gern. Schließlich gehörte sie in den New Forest.
Währenddessen gafften die Tottons den Arbeiter noch immer belustigt an, als wäre er eine Sehenswürdigkeit. Martell, der sich inzwischen umgeblickt hatte, begutachtete, wie Deck und Rumpf zusammengefügt waren. Mr. Gilpin wirkte geistesabwesend.
»Hier unten«, Fanny zögerte, denn sie war nicht sicher, wie sie sich ausdrücken sollte, »ist es irgendwie seltsam.« Sie blickte die anderen an, die nicht zu verstehen schienen, was sie meinte. Dann wandte sie sich zu Puckle um. »Fühlen Sie es auch?«, fragte sie. Zu ihrem Verdruss hörte sie, wie Louisa hinter ihr zu kichern anfing.
Weil es ihm genauso erging und weil er Fanny mochte, versuchte Puckle zum ersten Mal in seinem Leben, einen komplizierten Gedanken in Worte zu fassen. »Es sind die Bäume«, meinte er und wies mit dem Kopf auf den Rumpf. Dann überlegte er, wie er es am besten ausdrücken sollte: »Wenn wir einmal gehen müssen, Miss, bleibt nicht viel von uns übrig. Wenigstens nicht nach ein oder zwei Jahren unter der Erde.«
»Was ist mit der unsterblichen Seele, guter Mann?«, unterbrach Gilpin ihn streng. »Das dürfen Sie nicht vergessen.«
»Das werde ich nicht, Herr Vikar«, erwiderte Puckle höflich, wenn auch nicht im Brustton
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