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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Kopf. »Ich hätte Sie schon früher aufsuchen sollen, doch Sir Harry hat mich ziemlich mit Beschlag belegt.«
    »Sie hätten mich in den letzten beiden Tagen ohnehin nicht angetroffen, Mr. Martell. Ich war verreist.«
    »Ah.« Kurz hielt er inne.
    »In einem Haus, das ich kürzlich besucht habe, Mr. Martell, ist mir ein Bild aufgefallen, das Ihnen erstaunlich ähnlich sieht.«
    »Wirklich? Hat es Sie so erschreckt, Miss Albion?«
    Obwohl er sie mit dieser Bemerkung offenbar zum Lächeln bringen wollte, blieb ihre Miene ernst. »Das Gemälde stellt einen gewissen Oberst Thomas Penruddock aus Compton Chamberlayne dar. Etwa zur Zeit von Karl II. oder ein wenig später.«
    »Oberst Thomas?« Neugierig musterte er sie. »Wo haben Sie das Bild denn gesehen?«
    »In Hale.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es existiert. Was für ein Glück, Miss Albion, dass Sie es entdeckt haben. Ich muss es mir unbedingt anschauen.« Er lächelte. »Oberst Thomas war der Großvater meiner Mutter, mein Vorfahr. Aber wir besitzen kein Bild von ihm.«
    »Dann sind Sie ein Penruddock?«
    »Gewiss. Die Martells und die Penruddocks heiraten schon seit Jahrhunderten ineinander. Deshalb bin ich in vieler Hinsicht mit den Penruddocks verwandt.« Er schmunzelte. »Also ist jeder von uns sozusagen ein Martell und ein Penruddock in einem.«
    »Ich verstehe.« Fanny bemühte sich um Ruhe. »Zwischen den Penruddocks und einer Familie namens Lisle im New Forest hat es Schwierigkeiten gegeben.«
    »Davon habe ich gehört. Ich glaube, es ging um die Lisles von Moyles Court, obwohl ich zugeben muss, dass ich die Einzelheiten nicht kenne. Der andere Zweig der Familie war respektabler, oder?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Nein. Es ist ja auch lange her.«
    Fanny blickte hinüber zu ihrem Vater und Tante Adelaide. Mr. Albion plauderte angeregt mit zwei jungen Damen, doch ihre Tante schien einzunicken. Ausgezeichnet. Es war besser, wenn sie nicht erfuhr, dass sich ein Penruddock im Raum befand.
    »Wenn Ihr Vater so guter Stimmung ist«, meinte Mr. Martell, »darf ich Sie vielleicht aufsuchen…«
    »Ich denke, das ist nicht ratsam, Mr. Martell.«
    »Gut. Morgen veranstalten die Burrards ein Abendessen. Ich habe hier eine Einladung für Sie von Mrs. Burrard. Darf ich ihr sagen…«
    »Ich fürchte, ich habe morgen bereits eine Verabredung, Mr. Martell. Würden Sie ihr bitte in meinem Namen danken. Ich werde ihr morgen schreiben.« Plötzlich fühlte sie sich sehr müde. »Jetzt muss ich mich um meinen Vater kümmern«, sagte sie.
    »Natürlich. Aber der nächste Tanz gehört mir.«
    Sie lächelte höflich, aber nichts sagend, und ergriff die Flucht. Martell blieb verdattert stehen. Offenbar war das Verhältnis zwischen ihnen abgekühlt, doch er konnte sich den Grund nicht erklären. Lag es daran, dass er sie während seines Aufenthalts vernachlässigt hatte? Gab es andere Ursachen? Ganz gewiss ließ sich die Angelegenheit aufklären, und er brannte darauf. Allerdings hinderte ihn die bedrohliche Anwesenheit ihres alten Vaters daran, ihr sofort nachzugehen. Außerdem tauchte kurz darauf Louisa auf, und als sie verkündete, sie sei hungrig, war er gezwungen, sie zum Büffet zu begleiten. Eine knappe halbe Stunde später stimmten die Geiger den nächsten Tanz an, doch Fanny rührte sich nicht mehr aus ihrer Ecke.
    Inzwischen bemerkten einige der kritischeren Gäste im Saal, dass mit Mrs. Grockletons Ball nicht alles zum Besten stand. Die beiden Geiger plagten sich zwar redlich ab, doch einer von beiden war mittlerweile recht rot im Gesicht. Außerdem griff er zwischen den Tänzen – oder sogar währenddessen – immer wieder nach einem Krug, der sicherlich kein Wasser enthielt.
    Spielten sie ein wenig falsch? Fehlte hie und da eine Note? Derartige Fragen wären ungehörig gewesen. Mr. Grockleton murmelte seiner Frau zu, er werde nun den Krug entfernen, doch diese warnte ihn: »Wenn du das tust, spielt er vielleicht gar nicht mehr.« Also blieb der Krug an seinem Platz.
    Der Tanz war, wenn auch ein wenig außer Takt, aber doch in vollem Gange, als Mr. Martell endlich wieder in den Ballsaal kam und Fanny allein dastehen sah. Sofort ging er auf sie zu, ohne dass sie ihn bemerkte, denn ihr Blick galt anderen Dingen.
    Tante Adelaide war in ihrem bequemen Sessel eingeschlafen.
    Doch der alte Francis Albion befand sich in einer Stimmung, die sie noch nie bei ihm erlebt hatte. Inzwischen hatte er sein zweites Glas Wein intus und war allerbester Laune. Die Damen,

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