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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Geduld einer Frau, die auf einen wartete, noch ein wenig länger auf die Probe zu stellen.
    Und heute Abend würde sie auf Mrs. Grockletons Ball sein.
     
     
    Manche hätten das Pflanzenaufgebot wohl übertrieben gefunden, doch schließlich galt der unfehlbare Grundsatz, dass sich mögliche Mängel von Räumlichkeiten oder Zusammensetzung der Gästeliste durch eine prächtige Blumendekoration ausgleichen ließen. Und genau daran hatte sich Mrs. Grockleton gehalten, soweit es das im September verfügbare Angebot gestattete. Jeder Makel war hinter einem Rosenstock oder einem Busch getarnt, sodass die Versammlungsräume von Lymington an diesem Abend deshalb eher einem Gewächshaus ähnelten.
    Die Gäste entstammten den verschiedensten Gesellschaftsschichten. Hauptsächlich handelte es sich natürlich um die jungen Damen der Akademie, für die der Ball offiziell veranstaltet wurde und die Mrs. Grockleton als Vorwand dienten. Sie, ihre Eltern und ihre Brüder waren eingeladen, um sich unter Mrs. Grockletons Vorsitz zu vergnügen. Auch wenn die Burrards auf die Gesellschaft einiger Elternpaare keinen allzu großen Wert legten, wäre es sehr unhöflich von ihnen gewesen, den jungen Damen von der Akademie die kalte Schulter zu zeigen oder die Schulleiterin vor den Kopf zu stoßen. Mrs. Grockleton hatte zwar der Versuchung nicht widerstehen können, ihre Einladungen auch über diese Kreise hinaus zu verteilen, doch im Fall des Falles würde sie zumindest nicht allein dastehen.
    Die Anwesenheit der französischen Offiziere war ein gewaltiger Vorteil. Sie hatten Charme, waren eindeutig Angehörige der Aristokratie und würden sich weiß Gott eine Tanzveranstaltung mit kostenlosen Erfrischungen nicht entgehen lassen. Die Franzosen konnten als Tanzpartner für die Kaufmannstöchter herhalten und standen zudem mit Leuten wie Mr. Martell auf einer Stufe. Unter diesen Bedingungen hätte Mrs. Grockleton auch hundert Regimenter verköstigt. »Es ist«, meinte sie zu ihrem Mann, »als käme Versailles heute Abend nach Lymington.«
    Und so waren die Offiziere Schachfiguren in Mrs. Grockletons Spiel, das dem Knüpfen gesellschaftlicher Beziehungen diente – wobei man selbstverständlich darauf achten musste, dass sich nicht etwa eine Romanze zwischen einem der Mädchen und einem Franzosen entwickelte.
    War es passend, den Arzt der Stadt mit Mr. Martell bekannt zu machen? Ja, selbstverständlich. Wie verhielt es sich mit den Eltern einiger Mädchen, die einfache Kaufleute waren? Lieber nicht. Mrs. Grockleton träumte davon, dass der Zufall ihr in die Hände spielen würde. Wenn zum Beispiel die Burrards erschienen, einer anderen wichtigen Familie begegneten und feststellten, dass diese bereits mit ihr, Mrs. Grockleton, befreundet war, dann mussten sie ihr doch einfach Eintritt in ihre Kreise gewähren. Falls Mr. Martell also Mr. Drummond mitbrachte, würde Drummond wiederum erfahren, dass sie die Albions kannte. Und wenn es ihr dann gelang, eine Einladung nach Cadland zu ergattern, wo die Möglichkeit bestand, die Burrards zu treffen… »Das sind gute Verbindungen, Mr. Grockleton«, sagte sie zu ihrem Mann. »Es geht nur darum, die richtigen Leute zu kennen.« Doch offenbar erschöpfte sich ein großer Teil von Mrs. Grockletons Phantasie darin, dass sie sich diese Begegnungen und Zufälle ausmalte. »Wer auch immer kommt«, verkündete sie – und damit meinte sie Persönlichkeiten wie die Drummonds oder die Burrards –, »wird sehen, dass wir mit den Tottons, den Albions und Mr. Martell gut befreundet sind. Hoffentlich wird es ein Erfolg.«
    »Ganz gewiss, meine Liebe«, erwiderte ihr Mann. Der Ballsaal war wirklich ein hübscher Anblick. In einem Nebenzimmer hatte man Kartentische aufgestellt. Die Speisen, die Mr. Seagull vom Angel Inn geliefert, und der Wein und der Brandy, die er dem Zollinspektor ohne mit der Wimper zu zucken zum vollen Preis verkauft hatte – alles stand bereit. In einer halben Stunde wurden die ersten Gäste erwartet, und sie würden sicher begeistert sein. »Und wenn erst die Musik anfängt«, sagte sie vergnügt, »und der Tanz beginnt…«
    Mrs. Grockleton nickte zufrieden und hielt dann erschrocken inne. Plötzlich stieß sie einen Schrei aus, der fast wie ein Kreischen klang. »Oh, Mr. Grockleton, Mr. Grockleton, was sollen wir tun?«
    »Was gibt es denn, meine Liebe?«, erkundigte er sich besorgt.
    »Eine Katastrophe ist geschehen. Oh, Mr. Grockleton, ich habe die Kapelle vergessen!«
    »Die

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