Der Wald der Könige
angefangen von Fannys Schulfreundinnen bis hin zur Frau des Grafen, hatten ihn ins Herz geschlossen. Mindestens sechs von ihnen hatten sich um ihn geschart, saßen ihm zu Füßen, und nach dem Funkeln in seinen blauen Augen und ihrem Gekicher zu urteilen, unterhielt er sich ausgezeichnet. Fanny schüttelte verwundert den Kopf. Vermutlich war ihr Vater während seiner langen Wanderjahre vor ihrer Geburt ein geselligerer Mensch gewesen, als sie geahnt hatte.
»Geben Sie mir die Ehre, mir den nächsten Tanz zu schenken?«
Fanny drehte sich um. Sie hatte sich schon überlegt, was sie in diesem Fall tun sollte. Nun hoffte sie, dass sie ihren Entschluss auch durchhalten würde. »Danke, Mr. Martell, aber ich möchte gerade nicht tanzen. Ich bin ein wenig müde.«
»Das tut mir Leid. Aber wenigstens habe ich so Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen. Mein Besuch hier ist bald zu Ende. Ich kehre nach Dorset zurück.«
Sie neigte den Kopf und lächelte nichts sagend. Gleichzeitig ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und suchte nach einer Möglichkeit, nicht weiter mit ihm plaudern zu müssen, ohne unhöflich zu wirken. Sie entdeckte den Grafen und nickte ihm zu. Mr. Gilpin sah leider nicht in ihre Richtung.
Schließlich nahte die Rettung aus einer anderen Richtung, und zwar in Gestalt von Mrs. Grockleton.
»Ach, Mr. Martell, da sind Sie ja! Aber wo steckt denn unsere liebe Louisa?«
»Ich glaube, Mrs. Grockleton, sie ist…«
»Ist das zu fassen, Sir? Wollen Sie damit sagen, dass Sie sie verloren haben?« Hatte Mrs. Grockleton sich etwa ein paar Gläschen Champagner genehmigt? »Sie müssen sie sofort wieder finden, Sir. Und was diese junge Dame betrifft«, sie drohte Fanny scherzhaft mit dem Finger, »mir deucht, ich habe unlängst von einem gewissen Fräulein gehört, das einen Herrn in Hale besucht hat.« Sie strahlte Fanny an. »Ich habe mit Ihrer Tante gesprochen, Miss. Sie hat eine hohe Meinung von Ihrem Mr. West.«
»Ich kenne Mr. West kaum, Mrs. Grockleton.«
»Sie hätten ihn mitbringen sollen!«, rief Mrs. Grockleton zu Fannys offensichtlicher Verlegenheit aus. »Mir deucht, Sie verstecken ihn.«
Fanny wusste nicht, wie sie ihre Gastgeberin zum Schweigen bringen sollte. In diesem Moment erschien der galante Graf d’Hector und bat sie, das Menuett, das gerade angestimmt wurde, mit ihm zu tanzen. Nachdem sie Mr. Martell – nicht wahrheitsgemäß – zugeflüstert hatte, sie habe dem Grafen diesen Tanz versprochen, nützte sie erleichtert diese Möglichkeit zur Flucht.
»Soll ich Sie wieder zu Mrs. Grockleton zurückbringen, wenn dieser Tanz vorbei ist?«, fragte der Franzose mit einem Augenzwinkern.
»Bitte so weit weg wie möglich«, flehte sie.
In der nächsten Viertelstunde gelang es ihr, Mr. Martell aus dem Weg zu gehen. Sie sah, dass er mit Louisa tanzte. Dann suchte sie bei Mr. Gilpin Schutz und beobachtete eine Weile unbehelligt mit ihm das Treiben.
Leider war es inzwischen nicht mehr zu leugnen, dass mit Mrs. Grockletons Ball einiges im Argen lag. Es wäre ratsam gewesen, dem Geiger den Krug abzunehmen, denn er enthielt eine gefährliche Mischung aus Wein und Brandy, sodass ihm mittlerweile die Finger von den Saiten rutschten. Seltsame Missklänge waren zu hören, eigenwillige Rhythmuswechsel brachten die Tänzer aus dem Takt. Einige Leute begannen zu kichern. Als Fanny einen Blick in Richtung Eingang warf, bemerkte sie, dass Isaac Seagull still dastand und die Szene belustigt betrachtete. Sie fragte sich, was für Gedanken dem alten Spötter wohl gerade im Kopf umhergingen. Und plötzlich fiel ihr ein, dass seine Anwesenheit, die sie an die finsteren Geheimnisse ihrer eigenen Abstammung erinnerte, ebenso unpassend war wie die falschen Akkorde.
»Man muss etwas unternehmen«, murmelte Reverend Gilpin. »Wenn Grockleton nicht zur Tat schreitet, werde ich es tun.« Und wie auf ein Stichwort gab die Geige ein ohrenbetäubendes Kreischen von sich, sodass die Tänzer wie angewurzelt stehen blieben.
In diesem Moment trafen sich die Blicke von Mr. Grockleton und dem Vikar. Auf ein Zwinkern und ein heftiges Nicken von Mr. Gilpin hin trat der Zollinspektor vor, klatschte in die Hände und verkündete: »Meine Damen und Herren, ich weiß, dass es für einige von Ihnen sehr spät geworden ist. Deshalb hat sich Mr. Gilpin freundlicherweise bereit erklärt, uns noch zu einem letzten Tanz aufzuspielen. Das ist wirklich zu gütig von Ihnen, Sir. Also noch zwei Menuette.«
Zuerst verlief alles
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